Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman
Welt im Allgemeinen und für Felix im Besonderen zu sein. Er sah sich als den Mann, dem Felix seine monatliche Ration Squash, Spaß und Spirituosen zu verdanken hatte. Ich dagegen war in seinen Augen nichts als die Spaßbremse in Felix’ Leben, eine Art böse Hexe des Westens, die Felix so verzaubert hatte, dass er nun als kleiner Oberarzt in einem städtischen Krankenhaus mit Kassenpatienten und ohne Freizeit vor sich hindarbte, während alle anderen auf Golfplätzen und Luxussegeljachten ihr Leben in vollen Zügen genossen.
»Alles ist miteinander verbunden«, sagte Linda oft und aus den kuriosesten Anlässen (zuletzt, als sie ihre Computertastatur gereinigt und ein fünf Meter langes Haar herausgefischt hatte – mir ist heute noch schlecht, wenn ich daran denke). »Menschen, Tiere, Planeten – alles ist auf magische Weise miteinander verknüpft, keine Begegnung dem Zufall überlassen.« (Da haben wir’s wieder.)
»Die Welt ist ein Dorf«, so drückte es mein Vater aus, und das war dann wohl die nichtesoterische Version davon. Wie auch immer, Zufall oder Magie: Gereon war nicht nur Felix’ bester Freund seit Studienzeiten, er war auch Marlenes Exmann und der Vater ihrer Tochter.
Und er war mein Gynäkologe.
Jedenfalls bis zu jenem entsetzlichen Augenblick, in dem Felix uns einander vorstellte und mir dämmerte, dass es sich bei Felix’ bestem Freund um den Mann handelte, der erst zwei Tage zuvor einen Schuhlöffel in meine Vagina geschoben hatte. Unter anderem. Als ich frisch nach Köln gezogen war, hatte Marlene mir nämlich Gereons Praxis wärmstens empfohlen, mit den Worten: »Er ist zwar ein Riesenarschloch, aber als Gynäkologe wirklich top.«
Tja, selber schuld, dass ich mich davon nicht hatte abschrecken lassen. Weshalb Gereon dann bei unserer Vorstellung süffisant lächeln und sagen konnte: »Oh, wir kennen uns bereits, Felix. Ich durfte vorgestern erst einen Abstrich bei ihr machen.« Keine Ahnung, was er später noch alles über mich gesagt hat (ich frage mich bis heute, was ein Frauenarzt bei der Untersuchung über seine Patientin in Erfahrung bringt, abgesehen davon, dass man »Brasilian waxing« nicht besonders gut verträgt) – ich wette jedenfalls, dass er es mit der ärztlichen Schweigepflicht grundsätzlich nicht so genau nahm.
Wie gesagt, die Welt ist ein Dorf, und alles ist miteinander verbunden, ob man will oder nicht. Was auch diese Party wieder einmal eindrucksvoll beweisen sollte.
Weil Felix – Überraschung! – in letzter Minute aus dem Krankenhaus angerufen und gesagt hatte, dass ihm noch etwas dazwischengekommen sei (selbstverständlich mit dem Zusatz, dass es aber nicht lange dauern würde), fuhr ich mit Marlene und ihrer Tochter Amelie zu der Bar in der Südstadt, die Gereon für diesen Anlass gemietet hatte. Zusammen mit einem Barmixer, zwei Kellnern, einem Jazzpianisten und einer Sängerin, wenn schon, denn schon. Gereon hatte üppig geerbt, außerdem warf seine Praxis viel Geld ab, und er liebte es, das auch allen Leuten zu zeigen.
»Ich bleibe aber höchstens bis elf«, maulte Amelie. Sie war siebzehn und mochte ihren Vater nicht so besonders, obwohl er ihr zum zwölften Geburtstag ein Pferd geschenkt hatte. Ich fand, das sagte eigentlich schon alles über den Mann.
»Ich auch«, versicherten ihr Marlene und ich gleichzeitig. Javier hatte einen Gig heute Nacht, und wenn wir uns bei Gereon satt gegessen und gepflegt betrunken hatten – Essen und Getränke waren unter Garantie vom Feinsten –, würden wir uns unauffällig dorthin absetzen.
Ich hatte den Whisky günstig, umweltfreundlich und, wie ich fand, durchaus stylisch in die rosa Blätter der »Financial Times« verpackt und mit schwarzen Tüllschleifen verziert, aus Stoffresten, die vom letzten Karnevalskostüm übrig geblieben waren. Wenn Florian eine Verpackung in schwarzem Lackpapier vorgeschwebt hatte, dann hätte er das eben selber übernehmen müssen.
Schon von Weitem sahen wir die vielen Leute, die sich vor der Bar drängelten, und Amelie sagte verächtlich: »Da hat Papa wohl all seine Facebook-Freunde eingeladen.«
»Und er hat tatsächlich Türsteher engagiert!«, stellte ich fest, als das Taxi gehalten hatte. Wider Willen war ich beeindruckt. »Ob die die Einladungen kontrollieren? Ich hab unsere gar nicht mit, ihr denn?«
»Nein. Liegt längst im Altpapier. Vielleicht haben wir ja Glück und kommen nicht rein. Dann können wir sagen, wir hätten es versucht.« Marlene bezahlte den
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