Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
schweifen. Einige davon kannte ich von Gereons früheren Partys, manche sogar mit Namen. Und der Mann, der sich jetzt zur Bar hindurchschob, kam mir ebenfalls bekannt vor.
    Dummerweise kam er mir nicht nur so vor. Oder? Nein. Das mussten das schummrige Licht und meine Fantasie sein, die mir einen Streich spielten. Das war einfach nur irgendein blonder Typ im Jackett. Ein verdammt gut aussehender Typ. Die Frau, die auf dem Barhocker neben mir saß, bemerkte das auch. Sie richtete sich auf und zupfte ihr Kleid zurecht.
    »Wodka Martini, bitte« sagte der Typ.
    Oh Scheiße. Meine kläglichen Selbsttäuschungsversuche gingen den Bach runter. Diese Stimme hätte ich unter tausend anderen wiedererkannt. Mathias Lenzen, der Mann, den zu googeln ich mir die letzten vier Tage mühsam verkniffen hatte. Er war es tatsächlich.
    Okay. Ganz ruhig bleiben. Ja, er war’s. Na und? So was kam vor. Kein Grund, einen Eiswürfel zu verschlucken.
    Ich konnte nichts anderes tun, als ihn mit weit aufgerissenen Augen anzuglotzen, was er aber glücklicherweise nicht bemerkte, weil ihn die Frau auf dem Barhocker in ein Gespräch verwickelte. Wenn man es denn so nennen wollte.
    »Oh, der James-Bond-Drink«, sagte sie mit rauchiger Stimme und schlug ihre langen Beine übereinander. »Sehr männlich. Ich hätte bei Ihnen aber auch nichts anderes erwartet.«
    Ich glotzte immer noch, aber allmählich beruhigte sich mein rasender Puls. Da stand er nun, so nah, dass ich nur die Hand ausstrecken musste, um ihn zu berühren. Schicksal oder Zufall? Mir war beides unheimlich, um ehrlich zu sein.
    »Eigentlich wollte ich nur ein Bier, aber bei der Musik muss es etwas Stärkeres sein«, erwiderte er, und ich argwöhnte, dass sein Blick dabei auf den Beinen der Frau ruhte.
    »Oh ja, ist die Musik nicht fantastisch?«, raunte sie. »Ich muss Gereon gleich mal fragen, wo er die Sängerin herhat. Ich würde sie sofort für die nächste Feier engagieren, Sie nicht auch?«
    Er ließ sich Zeit mit der Antwort und nippte bedächtig an dem Wodka Martini, den ihm der Barkeeper hingeschoben hatte. »Ja, sofort«, sagte er dann. »Aber glücklicherweise muss ich in nächster Zeit keine Beerdigungsfeier ausrichten.«
    Mir entfuhr ein Kichern. Und damit hatte ich seine Aufmerksamkeit. Als er sich zu mir umdrehte, konnte ich beobachten, wie sich seine Pupillen vor Überraschung weiteten. Ich war dankbar, dass ich ihn zuerst entdeckt hatte, denn mir war vorhin vermutlich der Unterkiefer runtergeklappt, was wesentlich unsouveräner rübergekommen wäre.
    Mit einem süffisanten Lächeln hob ich mein Glas. »Der Alkohol hilft tatsächlich«, sagte ich mit rauchiger Stimme. »Vor drei Minuten wollte ich mich noch erhängen, und jetzt ist der Abend plötzlich gar nicht mehr so übel.«
    Okay, okay, das war gelogen. In Wahrheit lächelte ich weder süffisant, noch sagte ich irgendwas Cooles mit rauchiger Stimme. Ich piepste vielmehr aufgeregt: »Die Welt ist ein Dorf, oder?« Und dann, weil er nicht sofort etwas sagte, sondern mich nur erstaunt ansah, setzte ich hinzu: »Hi! Kati Wedekind, erinnern Sie sich? Wir haben uns am Montag in Berlin kennengelernt, bei dem Seminar für angehende Möchtege… äh … für Führungskräfte, und dann saß ich im Zug nach Hause, und da hab ich aus Versehen eine SMS an Sie geschickt, die eigentlich für jemand anderen bestimmt war, und dann …«
    Auf seinem Gesicht hatte sich ein Lächeln ausgebreitet. Noch netter, als ich es in Erinnerung hatte. »Ja, doch, ich weiß, wer Sie sind!«, fiel er mir ins Wort.
    »Dann ist es ja gut«, sagte ich erleichtert.
    Er lachte. »Lieber Himmel, glauben Sie im Ernst, dass ich Sie schon wieder vergessen haben könnte?«
    »So abwegig ist das gar nicht«, mischte sich die Frau mit der rauchigen Stimme ein und rutschte elegant vom Barhocker. »Mich haben Sie erst vor einer Minute kennengelernt und ganz offensichtlich schon wieder vergessen. Dabei wollten Sie mich gerade auf einen Drink einladen. Aber jetzt sage ich: Nein danke, mein Lieber, und arrividerci .«
    »Ähm … Arrividerci«, sagte Mathias Lenzen.
    Ich sah der Frau kopfschüttelnd nach. »Sie weiß aber schon, dass die Drinks heute Abend umsonst sind, oder?«
    »Sicher wird sie es noch herausfinden.« Er hatte sich schon wieder zu mir umgedreht. Gott, was für Augen! Selbst in diesem schummrigen Barlicht drängten sich mir sofort schwülstige Vergleiche mit sonnenbeschienenen Bergseen oder schimmernden Edelsteinen oder Tante Erikas

Weitere Kostenlose Bücher