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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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ausgeblichenen Samtvorhängen auf. Aber Hauptsache, ich sagte nichts davon laut.
    »Ist das hier jetzt die schreckliche Geburtstagsfeier, auf der Sie sich betrinken müssen, oder die, für die Sie eine Torte backen sollen?«, erkundigte er sich.
    »Dreimal dürfen Sie raten.« Ich nahm einen großen Schluck von meinem Daiquiri. Kein Wort über Tante Erikas Samtvorhänge. Sprich einfach ganz normal weiter. »Warum müssen … äh … warum sind Sie hier? Einer von Gereons Patienten können Sie ja schon mal nicht sein. Haha.« Oh bitte , ich wünschte, jemand würde kommen und mir den Mund zuhalten. Wo war Marlene eigentlich, wenn man sie mal brauchte?
    Mathias Lenzen schienen meine schlechten Witze aber gar nicht zu stören. Sein Lächeln war nach wie vor sehr … sehr zauberhaft. »Tja, würde ich an so was glauben, würde ich sagen, es ist wohl Schicksal, dass ich heute Abend hier bin«, sagte er leichthin, und mir blieb bei dem Wort »Schicksal« beinahe das Herz stehen. »Wir sollten also unbedingt darauf anstoßen, dass wir uns wiedergetroffen haben.« Er hob sein Glas. »Und unter diesen Umständen können wir uns auf keinen Fall weiter siezen.«
    »Ja. Gerne. Also dann, ich bin …« die Kati . Oh nein, das würde ich jetzt nicht sagen. Zumal er es ja schon wusste. Verzweifelt suchte ich nach einem halbwegs sinnvollen Alternativende für den Satz. »… bin … erstaunt, wie schnell so ein Glas leer ist. Oder …«Ich folgte seinem amüsierten Blick. »… in diesem Fall halb leer.«
    »Du solltest schnell austrinken und einen neuen bestellen«, sagte Mathias und sah mir dabei tief in die Augen. Das war zu viel für mich.
    »Meine Tante Erika hat Samtvorhänge, die genau dieselbe Far…«, hörte ich mich sagen.
    Eine manikürte Männerhand landete krachend auf Mathias’ Schulter. »Das ist doch nicht zu fassen! Ich habe dir für heute Abend die heißesten Singlefrauen der Stadt versprochen – und wo finde ich dich? Ausgerechnet bei Kati.« Es war Gereon, und ausnahmsweise war ich mal froh, ihn zu sehen. Tante Erikas Samtvorhänge wären mir sonst zum Verhängnis geworden.
    Die Freude hielt aber nur eine Sekunde lang an.
    »Nichts für ungut, Kati, aber du bist ja wohl weder Single noch heiß, oder?«, sagte Gereon und besaß die Frechheit, mir zuzuzwinkern. Er sah gut aus, zumindest wenn man kernige, glatzköpfige Bruce-Willis-Typen mochte, die so gingen, als wären sie gerade von einem Pferd gestiegen. Mein geheimer Spitzname für ihn war Stirb langsam . Wie Florian scheute auch Stirb langsam keine Kosten und Mühen, sein Äußeres betreffend. Neulich erst hatte er freimütig zugegeben, dass ein Tiegelchen seiner Tagescreme zweihundertfünfzig Euro kostete. Wahrscheinlich war die Creme angereichert mit Stierhodenextrakt und Collagen von Babykälbchen. »Und ich will, dass mein alter Freund Matze sich heute Abend richtig amüsiert.« Er lachte.»Du dich natürlich auch, Kati. Aber vielleicht bist du bei den anderen verheirateten Frauen besser aufgehoben, da könnt ihr euch über Kochrezepte unterhalten oder darüber, wie man einen Ehemann zu Tode langweilt oder was auch immer.« Noch mal das kehlige Lachen, das Gereon stets benutzte, um seine Beleidigungen als Scherz zu tarnen.
     
    Kluge Menschen verstehen es, den Abschied von der Jugend auf mehrere Jahrzehnte zu verteilen.
Francoise Rasay
     
    Ich hatte sehr schnell begriffen, dass man in einer solchen Situation nur verlieren konnte. Wenn ich über die vermeintlichen Scherze lachte (was ich zu Beginn unserer Bekanntschaft manchmal getan hatte, in der Hoffnung, er würde damit aufhören, so gemein zu mir zu sein), beleidigte er als Nächstes meine Intelligenz; reagierte ich beleidigt, hatte ich keinen Humor, ignorierte ich ihn, fehlte es mir sowohl an Humor als auch an Intelligenz. Also hatte ich mir angewöhnt, ihn zurückzubeleidigen, und es darin mit den Jahren auf ein beachtliches Niveau gebracht. Überflüssig zu sagen, dass Gereon weder über die Größe noch den Humor verfügte, das anzuerkennen.
    »Oh, keine Sorge«, sagte ich mit einem Seitenblick auf »mein alter Freund Matze«, von dem ich unwillkürlich ein winziges Stückchen abgerückt war. Wie schnell man doch von so einer rosaroten Wolke rutschen konnte. »Ich amüsiere mich ganz wunderbar. Ich warte nur noch auf den Clown, der diese Luftballontiere macht.« Mit einem Lächeln, das hoffentlich nicht so säuerlich aussah, wie es sich anfühlte, hob ich mein Glas. »Herzlichen

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