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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Schreibtischstuhl fallen. »Leider.«
    »Hm«, machte Gabi und schnalzte noch einmal. »Dann werde ich das wohl selber übernehmen müssen. Obwohl ich mich nicht erinnern kann, wann ich das letzte Mal einen freien Samstag hatte.« Schnalzend verschwand sie in ihrem Büro.
    Na bitte, ging doch. Ich zwinkerte Marlene zu.
    Sie zwinkerte zurück. »Nicht schlecht«, flüsterte sie. »Ich musste erst einen schwerkranken Neffen erfinden, bevor ich aus der Nummer raus war.«
    Frau Zähler-Reißdorf, die Ohren wie ein Luchs hatte, beugte sich vor. »Dann war das wohl Ihr Neffe, mit dem Sie da gestern Abend unterwegs waren?«
    Marlene murmelte etwas Unverständliches, wobei sie leicht errötete.»Ach, es war gar nicht Ihr Neffe?«, fragte der Reißwolf scheinheilig. »Obwohl es vom Alter her gepasst hätte. Andererseits – eine Familienähnlichkeit war beim besten Willen nicht zu erkennen. Er ist mehr der südländische Typ, nicht wahr?«
    »Argentinier«, sagte Marlene beiläufig, während sie so tat, als sei sie ganz und gar auf das fixiert, was sie auf ihrem Bildschirm sah.
    Aber Frau Zähler-Reißdorf konnte sie damit nicht täuschen. Sie lächelte zufrieden. »Ja, diese Südländer haben offenbar oft ein Faible für ältere, rundliche Frauen«, säuselte sie.
    Kein Wunder, dass wir Bengt so schnell in unser Herz geschlossen hatten. Verglichen mit dem Reißwolf verbreitete er selbst dann noch sonnige Stimmung, wenn er in seinen hypochondrischen Endzeitfantasien schwelgte. Ach, wie ich ihn vermisste! Er hätte Marlene in dieser Anfangszeit mit Javier ganz bestimmt in ihren Gefühlen bestärkt und ihr versichert, dass Altersunterschied und Nationalität überhaupt keine Rolle spielten, wenn man sich wirklich liebte. (Hauptsache gesund!) Warum hatte ich das eigentlich nicht getan? Na ja, vermutlich, weil ich der Sache auch nicht so recht getraut hatte: Dieser junge, mittellose und ein bisschen verrückte Musiker, der tagsüber schlief und nachts Musik machte, auf der einen, und Marlene – zehn Jahre älter und Mutter einer zwölfjährigen Tochter – auf der anderen Seite. Ich war einfach nicht überzeugt gewesen, dass das wirklich gut gehen konnte. Ja, ich hatte genau dieselben dummen Vorurteile gehabt wie Frau Zähler-Reißdorf.
    »Aber seien Sie bloß vorsichtig«, sagte die jetzt. »Meine Schwägerin hatte mal eine Affäre mit einem Poolboy aus der DomRep und war am Ende um hunderttausend Euro ärmer und eine böse Erfahrung reicher.« Marlene seufzte.
    »Und wenn ich so recht darüber nachdenke, dann würde ich sagen, dass sie sich davon nie wieder er…«, sagte der Reißwolf, aber da fiel ich ihr ins Wort.
    »Genug herumgepimmelt, äh -bummelt«, sagte ich energisch und ignorierte Marlenes plötzlichen Hustenanfall. »Ich könnte zwar noch stundenlang zuhören, aber ich muss viel nachholen. Also, ran an die Arbeit.«
    Frau Zähler-Reißdorf runzelte so heftig die Stirn, dass man es beinahe hören konnte, aber ich tat, als merkte ich nichts. Eine Minute später brauchte ich nicht mal mehr so zu tun, da hatte ich sie nämlich bereits vollkommen vergessen. Mein Computer brauchte endlos, um hochzufahren, und auch der Browser öffnete sich erschreckend langsam.
    Nervös tippte ich mit meinem Zeigefinger auf den Rand der Tastatur und wartete, dass die Technik aus dem Jahr 2006 sich dazu bequemte, mir weiterzuhelfen.
    Denn es war das eine, Marlene und Linda zu erleben und meine Déjà-vues aufzufrischen. Das andere war meine To-do-Liste, und die ließ sich einfach nicht länger aufschieben. Zumindest nicht Punkt eins.
    Ich rief also Google auf und gab den Namen von Mathias ein. Ich wollte gerade bestätigen, da drängte sich die Sache mit Pandora und ihrer Büchse wieder in meinen Kopf und Felix, wie er mich ansah, wenn ich ein Handtuch um den Kopf gewickelt hatte.
    Ich musste mich ziemlich energisch zurechtweisen, dass Felix mich noch nicht einmal kennengelernt hatte, weswegen ich ihn nun auch nicht betrügen konnte, er wiederum nicht traurig sein und ich kein schlechtes Gewissen haben musste. Das war doch schließlich der Sinn der Sache gewesen.
    Was also hielt mich ab?
    Nichts.
    Überhaupt nichts.
    Denn das hier war ja ohnehin alles nicht echt. Ich holte tief Luft, schloss für einen kurzen Moment die Augen und drückte dann entschlossen auf Enter.

Mein neues verbessertes Leben oder 2006 reloaded aktualisierte To-do-Liste, Donnerstagmittag
    1.  Mathias kennenlernen
    1.1  Den magischen Moment der ersten Begegnung

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