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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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anging, hatte ich ein gutes Gefühl –, würde sein Blick irgendwann über die Reihen schweifen und an meinem Gesicht hängen bleiben. Vielleicht würde ich ein klitzekleines bisschen lächeln, so wie jemand lächelt, der genau weiß, wie der andere küsst, und Mathias würde sich über das Gefühl einer unerklärlichen Vertrautheit zwischen uns beiden wundern, aber natürlich nicht dagegen ankommen. Und dann war er da, der magische Moment. Die Geigen würden einsetzen, diesmal zur Abwechslung mit »She« von Charles Aznavur. (Wenn schon, denn schon!) Am Ende der Vorlesung würde er mich fragen, ob wir uns schon mal begegnet wären. Und ich würde sagen: »Nicht in diesem Leben.« Na ja, vielleicht würde mir auch spontan etwas Besseres einfallen. Im Notfall könnte ich einfach nur geheimnisvoll lächeln.
    So weit der Plan.
     
    Wenn ich die Folgen geahnt hätte, wäre ich Uhrmacher geworden.
Albert Einstein
     
    Und zuerst funktionierte auch alles blendend. Ich fand ein Paar wunderschöne, schwarze Stiefel zu einem zwar nicht ganz so wunderschönen, aber für ein Paralleluniversum mit äußerst begrenzter Stiefelauswahl gerade noch akzeptablen Preis. Und zum Ausgleich machte ich in meinem Lieblingssecondhandladen ein enormes Schnäppchen mit einem Etuikleid in einem schmeichelnden Puderton, das meine wiedergewonnene Taille perfekt betonte. In einem wahren Kaufrausch und weil die nette Verkäuferin mir versicherte, ich könne ihr all meine lila Klamotten zum Weiterverkaufen bringen, erwarb ich sechs weitere Teile, von denen ich sicher war, dass ich sie auch im Jahr 2011 noch lieben würde, darunter einen klassischen Trenchcoat von Burberry (ehrlich, so einen suchte ich schon seit Jahren!) und eine ganz entzückende hellgraue Ansteckrose aus Filz.
    Angetan mit den neuen Stiefeln, einem neuen Rock, einem neuen Pullover und der ganz entzückenden, hellgrauen Ansteckrose aus Filz fand ich mich überpünktlich im Hörsaal II im Hauptgebäude der Universität ein und setzte mich anmutig und erwartungsfroh in die fünfte Reihe. Nicht so weit vorne, dass Mathias mir direkt in den Ausschnitt würde schauen müssen, aber auch nicht so weit hinten, dass er mich am Ende in der Menge übersehen könnte.
    Wobei … außer mir hatten bisher nur zwei Männer mit Anzug und Krawatte den Weg in den Hörsaal gefunden, sie saßen in der ersten Reihe, zwei weitere (ebenfalls mit Krawatten) standen vor der Tür und unterhielten sich. Alle hatten sie mich leicht irritiert gemustert. Es waren Semesterferien, und in den Fluren herrschte eine geradezu unheimliche Stille und Menschenleere.
    Ich schaute, zunehmend nervös, auf die Uhr. Noch fünf Minuten. Was, wenn der Vortrag am Ende nur von einer Handvoll Zuhörer besucht wurde, allesamt in Anzug und Krawatte? Dann würde es doch vielleicht recht merkwürdig aussehen, wenn ich hier oben mit meiner entzückenden grauen Filzrose in der fünften Reihe thronte, oder? Es würde kein bisschen zufällig wirken, eher eigenartig bis verdächtig. Und was sollte ich tun, wenn mich jemand fragte, was ich bei einem Vortrag, veranstaltet vom Kölner Unternehmerbund mittelständischer Betriebe (oder so ähnlich), überhaupt zu suchen hatte, so ganz ohne Unternehmen und ohne Krawatte?
    Oh mein Gott! Ich musste hier weg, und zwar schleunigst. Hastig griff ich nach meiner Tasche. Die beiden Männer in der ersten Reihe guckten wieder irritiert, als ich, wenig anmutig und auch nicht mehr wirklich froh, an ihnen vorbeipolterte. Ebenso die beiden, die vor der Tür standen. Ich musste mich sehr zusammenreißen, so gesittet wie möglich davonzuschlendern und nicht wie jemand loszurennen, der gerade den Overheadprojektor geklaut und unter seiner Jacke versteckt hatte.
    Gerade als ich erleichtert um die Ecke biegen wollte, sah ich Mathias. Nur ein paar Meter entfernt. Ich blieb wie angewurzelt stehen, ich konnte auch gar nicht anders, weil sein Anblick meine Knie spontan in puddingähnliche Masse verwandelt hatte.
    Was hatte er als Letztes zu mir gesagt? Scheiße, bin ich verliebt!
    Ja, und ich erst.
    Er hatte seine Laptoptasche unter den Arm geklemmt und einen ziemlich eiligen Schritt drauf (zu Recht, er war schon mindestens eine Minute zu spät), sein Blick war auf den Boden gerichtet, und er schaute erst hoch, als er genau auf meiner Höhe war.
    Ich hielt die Luft an, als ich in die samtblauen Augen sah. Und damit verwandelte sich auch der Rest meines Körpers in Pudding. Das war er nun also, der magische

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