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Auf der Flucht

Auf der Flucht

Titel: Auf der Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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sozusagen mit spitzer Zunge, fasste sie nur mit spitzen Fingern an. Umso aufgeregter war er, obwohl er darüber nur mit Hohn und Spott zu reden schien, als er in London einen Ehrendoktor entgegennehmen sollte – er bereitete sich auf die Feier vor wie auf eine schwere Prüfung.
    Als ich, noch während meiner »Spiegel«-Zeit, den Professorentitel bekam, herrschte eine gewisse Unruhe wegen des Impressums. Ich wolle doch nicht etwa als »Professor« im Impressum stehen. Große Erleichterung, als ich verneinte. Großer Spott bei Augstein aus schrägem Mundwinkel, als er mir eher höhnisch gratulierte und mir sagte, dass Joachim Kaiser (»unser Freund Kaiser«, sagte er), sich doch tatsächlich als »Professor« im Impressum der SZ führen lasse.
     
    1986 besuchte ich Billy Wilder in seinem »United Artists«-Büro in Beverly Hills. Blank geputzt und stolz aufgereiht standen seine sechs Oscars auf einer gut sichtbaren Konsole, daneben der Löwe von Venedig und der Thalberg-Award als Auszeichnung für sein Lebenswerk. Der damals Achtzigjährige spöttelte über diese Staubfänger, die seine Putzfrau nicht mehr bereit sei, bei ihm zu Hause abzustauben, deshalb stünden sie hier. Wilder zitierte sich selbst: »Auszeichnungen und Ehrungen sind wie Hämorrhoiden – früher oder später bekommt sie jedes Arschloch« – und doch hatte er mich ziemlich zum Anfang meines ersten Besuchs auf die Reihe der goldglänzenden Oscar-Statuen aufmerksam gemacht. Ich will nicht miss verstanden werden: Niemand, aber auch wirklich niemand hat jede Form von Ehrung mehr verdient als Billy Wilder, dessen selbstbewusste Bescheidenheit noch weit (im Unter schied zu vielen anderen Menschen) in sein hohes Alter reichte. Auch da noch verschonte er mit seinem sardoni schen Spott am wenigsten sich selbst.
    Kurz nach meinem sechzigsten Geburtstag wurde ich vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog nach Berlin eingeladen, wo er mir im Schloss Bellevue, zusammen mit anderen, das Bundesverdienstkreuz überreichte. Als ich, aufgerufen, zu ihm nach vorne kam, nahm er mich einen Augenblick beiseite und sagte, er wisse es zu schätzen, dass ich die Auszeichnung annehme, denn – und hier wurde er für einen Moment herzlich – wir beide, er und ich, das wüsste er, machten uns doch nichts aus solchen Ehrungen.
    Das war, soweit es mich betrifft, die ganze Wahrheit und die halbe Wahrheit zugleich. Im Alter, so viel wusste ich damals bereits, dienen Auszeichnungen der nötigsten Kompensation von Erfolgen, die Jüngeren ganz selbstverständlich zufallen: Mir hat in diesem Zusammenhang immer das Selbstlob des bösen buckligen Richard III. gefallen, der bei Shakespeare, nachdem er die Witwe Anna am Sarg ihres von ihm ermordeten Mannes umbuhlt, mit Stolz und böser Eitelkeit sagt: »Ward je in dieser Laun' ein Weib gefreit?«
    Auch damals war ich noch beim »Spiegel«. Und wieder erhob sich die Frage, wo man das wohl melden müsse. Doch um Gottes Willen nicht in der »Hausmitteilung« auf Seite 3. Gewiss nicht. Rudolf Augstein sagte mir, betont beiläufig, Hamburger würden ohnehin normalerweise keine fremden Auszeichnungen entgegennehmen.
    Als Augstein später das Bundesverdienstkreuz erhielt, habe ich, alt und eitel, wie ich war, registriert, dass sein Bundesverdienstkreuz eine ganze Hausmitteilung im »Spiegel« füllte. Mir ist das »Quod licet iovi, non licet bovi!« in dem Moment nicht eingefallen. Je mehr mit zunehmendem Alter die Einsicht wächst, dass man wenig Grund zum Stolz hat, umso eitler wird man. Andererseits gilt Goethes Satz: »Nur die Lumpe sind bescheiden.« Aber wie alt war er da?
    Josef Eberle pflegte eine charmante Form eitlen Understatements, wenn er mir – er war damals sechzig und ich keine dreißig – seine lateinischen Verse vor Drucklegung vorlas, um mein »Placet« für den Abdruck in seiner Zeitung zu erwerben. Da er mir die Gedichte sozusagen von Gleich zu Gleich vorlas (ich saß wie auf Kohlen, denn der Alltag der Zeitung interessierte ihn so wenig, dass er für diese Vorlesungen immer die Stunde wählte, in der ich eigentlich dringend beim aktuellen Umbruch gebraucht wurde), war er dennoch so freundlich, mir sie auch Zeile für Zeile, von iovi zu bovi gewissermaßen, zu übersetzen.
    Rudolf Augstein, eine Zeit lang mein klügster Freund, ein Meister der macchiavellistischen Selbstironie, schickte mir seine Artikel mit dem Bemerken, ich könne sie wegwerfen, falls sie mir nicht gefielen. Aber da war ich längst ein

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