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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
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diesem heißen, verschlafenen Nest, zurück auf meine Platanenplaza in Zamora, auf der ich heute Nachmittag der Einzige bin. Heute soll eine Fiesta zu Ehren eines Heiligen außerhalb der Stadt sein.
    Heute hatte ich wieder starke Fußschmerzen. Sie kommen und gehen, damit muß ich wohl nun leben. Auch der Zahn hat wieder zu pochen begonnen. Morgen gehe ich zum Zahnarzt. In meiner Cafeteria, wo ich dann wieder zum Abendessen lande, esse ich halt Spargel, den ich mit meinen Zahnschmerzen, ohne zu kauen, herunterschlucken kann – schon wieder mit Mayonnaise – und Gambas al Ajillo, diese Garnelen in der glühendheißen Knoblauchsoße, in die man das weiche Weißbrot taucht.
    Die beiden Mädels, die mich abwechselnd bedienen, sind völlig schwarz angezogen, tätowiert und gepierct, wo es nur geht. Sie reden und lächeln nie. Der Schmerz und die Verachtung dieser Welt. Sie gleichen den Büßerfiguren, die ich morgen im Karwochenmuseum sehen werde, die schwarz gekleidet, mit Kapuzen über dem Kopf, am Karfreitag schweigend wie lebende Tote durch die Nacht ziehen. Diese beiden sind es das ganze Jahr.
    Die Luft ist nun wirklich warm geworden. Um zehn Uhr sitze ich noch lesend im letzten Tageslicht. Eine Stunde später ist noch Hochbetrieb, wahrscheinlich sind alle heimgekehrt von der Fiesta, und man bestellt fröhlich jetzt erst sein Essen. Eine junge Frau ist auch noch auf mit ihrem Baby, das ebenfalls die warme Nacht genießt. Auch ich kann nicht zu Bett in dieser schönen, ruhigen Stimmung mit den golderleuchteten Häusern vor dem schwarzen Nachthimmel.

Semana Santa

    Dienstag, der 6. Juni, Zamora
    1. Ruhetag

    Heute Nacht hatte ich einen schrecklichen Traum: Ich wanderte durch ein unbekanntes Land und kam vom Wege ab in ein Haus mit einem alten Mann, der mich bei sich aufnahm. Einige Tage blieb ich bei ihm. Er war aber umgeben von absonderlichen, unheimlichen, schrecklichen Gestalten, Zombies ähnlichen Wesen, die mich immer mehr bedrängten, angriffen und erschreckten. Er jedoch beschützte mich und vertrieb die Unholde. Nach ein paar Tagen starb der alte Mann, worauf die Angriffe immer schrecklicher wurden. Es war wie auf einem Breughelschen Gemälde, wo die Furien und Teufel der Unterwelt die armen Sünder quälen und foltern. So geschah es auch mir. Ich litt unvorstellbare Qualen. Als die Angst zu groß wurde, wachte ich auf und merkte, daß es nur ein Traum gewesen war. Mein Herz raste und ich konnte lange nicht wieder einschlafen. Es war wohl die Angst vor dem Alleinsein, dem Unbekannten, den Gefahren, die mich Pilger umlauerten, auch vielleicht die apokalyptischen Kapuzenmänner, die ich heute im Karwochenmuseum sehen sollte und deren Geist diese schöne Stadt durchdringt. Morgen muß ich weiter laufen. Ich muß raus aus der Enge der Stadt und wieder auf das weite, freie, grenzenlose Land. Santiago spricht auch im Traum mit mir. Es ist Zeit zu gehen.
    Doch erst einmal muß ich in die Clinica Dental, wie die Zahnarztpraxis hier heißt. Meine Wirtin hatte mir eine genannt, nicht weit von meinem Hostal. Immer wieder überrascht bin ich, wie modern hier das Innere der alten Häuser eingerichtet ist, diese klare, feine, minimalistische Architektur sah ich bei meinen Zahnärzten noch nie, wo alles septisch weiß und sauber eingerichtet ist. Hier empfängt mich grün geätztes Glas, helles Buchenholz, ein blauer Teppich mit Sternchen und Strahler, die eine zartgelbe Decke beleuchten. Der Mut zur Farbe. Eine junge sympatische Ärztin empfängt mich und stellt nach einigen Untersuchungen fest, daß es nur eine Entzündung in einer Zahntasche ist, sie weder bohren noch ziehen muß und verschreibt mir Antibiotika. Da bin ich aber erleichtert, zahle einfacher Weise 10 Euro in die Kasse und bin entlassen.
      Draußen atme ich tief durch, danke Santiago in einem stillen Gebet und finde gleich nebenan Antón, den Peluqiere, wie der Friseur hier heißt. Ein ebenso elegant eigerichteter Raum mit feinen Buchenholzmöbeln, mintgrünen Wänden und einem schwarzen Teppich. Auch dies so ganz anders als unsere sterilen chromglitzernden Friseursalons. Antón freut sich, einem Pilger seinen langhaarigen Schopf ganz kurz zu Stoppeln zu schneiden, bequem und praktisch bei Wind, heißer Sonne und beim Haarewaschen. Wir reden ein bißchen über Deutschland, das er, wie so viele Spanier, grenzenlos bewundert, so fleißig, so tüchtig, so reich. Natürlich fährt Antón einen BMW. Ich zahle 8,50 Euro, Antón staunt, als ich ihm erzähle,

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