Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens
mit dem Bus nach Toro, der Hauptstadt der Tierra del Vino, 37 Kilometer östlich von Zamora. Von hier kommt der leckere Wein „Toro“, der auf den Hügeln nördlich des Río Duero wächst. Auf dem Busbahnhof treffe ich wieder einmal unerwartet – na, wen wohl – Marguerita, die nun endgültig mit dem Bus wo anders hin fährt. Wohin verrät sie mir wieder nicht. Irgendwohin nach Norden. Bestimmt treffe ich Sie noch einmal wieder. Ich spüre das. Und ich sollte Recht behalten.
Der Bus fährt träge über die Landstraße im Tal des Duero, durch verschlafene Städtchen, die unterhalb der Weinberge in der Ebene liegen. Es ist auf einmal glühend heiß geworden, der kühlende Wind aus dem Norden hat endgültig aufgehört. Im Bus treffe ich eine Schweizerin. Wir kommen wie immer schnell ins Gespräch und schütten uns unser Herz aus.
Nach so vielen einsamen Tagen bin ich glücklich, einmal wieder in meiner Muttersprache reden zu können. Sie ist es auch. Wir stellen fest, daß diese Kastilianer entsetzlich unfreundliche Menschen sind, die kein Bitte und kein Danke sagen, die Speisen ohne ein Wort auf den Tisch knallen, einen nicht freundlich begrüßen, wenn man ihr Lokal betritt und es auch nicht verstehen, wenn man sie einmal lobt oder sich bedankt für ein gutes Essen.
Dann gucken sie einen ganz verständnislos an, als habe man etwas Unverschämtes gesagt. Man hat ständig das Gefühl, als würde man sie irgendwie stören, als sei man unerwünscht. Es muß irgendetwas mit ihrer Geschichte oder Tradition zu tun haben, ihrer jahrhundertelangen Isolation vom übrigen Europa. Fremde waren hier selten, wenn, dann kamen sie als Feinde, denen man sich verschließt, vor denen man sich verbirgt. Ein rauhes, hartes, grausames Land macht rauhe, harte, grausame Menschen.
Ich sehne mich nach meinen liebenswerten Italienern, die ihr Herz auf der Zunge tragen und jeden als ihren besten Freund begrüßen: „Grazie, que bello, buono, ciao bello“. Oder die Franzosen mit ihrer liebenswerten, vornehmen Freundlichkeit: „Bonjour Monsieur, merci Monsieur, voila Monsieur, très bien Monsieur, au revoir Monsier“. Die Kastilianer bringen die Zähne nicht auseinander, außer „Si“ und „No“ gibt es keine Antwort, nur beim Lärm sind sie die Weltmeister. Sogar auf dem Busbahnhof dröhnt laut schallend die Musik und im Bus können wir uns nur laut schreiend unterhalten.
Toro ist ein verschlafenes Provinzstädtchen mit einer großen Vergangenheit. Hoch auf gelbem Hügel schläft es an diesem heißen Pfingsmittag über dem blauen Band des Flusses, der sich durch grüne Auen gen Westen nach Zamora schlängelt. Hier ist alles tot und wie ausgestorben, einige Touristen wie ich schlendern suchend über die breite Rúa Mayor. Wie die Hagia Sophia thront stolz und erhaben die Stiftskirche La Colegiata Santa María la Mayor am Ende der Stadt, noch unter byzantinischem Einfluß 1160 erbaut, ein Steingebirge aus Apsiden, Ecktürmen, Kreuz- und Querschiffen um den majestätischen Gipfel der Vierungskuppel. Dies ist eine romanische Festung, einer Ritterburg ähnlicher als einer Kirche. Verschlossen natürlich, wie alles an diesem abweisenden Ort. Leider verpasse ich das prächtige, bunt bemalte „Majestätsportal“ am Westwerk.
Ich treffe ein französisches Ehepaar, das mich auf zwei sehenswerte Kirchen im Mudejarstil hinweist, die versteckt an Nebenstraßen liegen. Ausgeschildert ist hier nichts in diesem Ort, man will offensichtlich keine Touristen. San Lorenzo ist eine schlichte Basilika aus dem 13. Jahrhundert, ein Baukästchen aus rotbraunen Ziegeln, fensterlose Bögen steilen schmalbrüstig übereinander getürmt vom Boden bis zum Dach, nur ein gotisches Portal durchbricht die strenge Front. Mudejar ist der Stil, bei dem die ganze Kirche aus den gleichen, braunen Ziegeln gebaut ist, alle Bögen, alle Lisenen, alle Fialen, selbst die gotischen Spitzbögen und die Pässe der Torportale. Streng, schlicht und einfach, wieder hart und abweisend wie dieses Land Kastilien. Es waren arabische Baumeister, die diesen Baustil aus den Wüsten Afrikas mitbrachten, wo es keinen Sandstein gab, nur gebrannten Ton. Die letzte Mudejarkirche sah ich 1988 auf dem Camino Francés in Sahagún.
Noch eine zweite Kirche gibt es, versteckt im Gassengewirr, San Salvador de la Caballera, auf kleiner Plaza, umringt von einfachen, bunt verputzten Häuschen, mit einem ganz entzückenden, gemauerten, gotischen Portal. Dann bin ich aber schnell wieder weg aus
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