Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens
Wäldern, seinen dunklen Bergen. Mein Pfarrer hieß mich niederknien neben dem Altar, reichte mir den Meßwein in dem goldenen Pokal und ließ mich trinken. Und in diesem Moment wurde ich wieder eins mit der Heiligkeit des Himmels. „Alles ist Eins“, wie Rilke sagt in seinem Gedicht „Einmal, am Rande des Hains“:
„Einmal, am Rande des Hains,
stehen wir einsam beisammen
und sind festlich wie Flammen –
fühlen: Alles ist Eins.
Halten uns fest umfaßt;
Werden im lauschenden Lande
durch die weichen Gewande
wachsen wie Ast an Ast.
Wiegt ein erwachender Hauch
Die Dolden des Oleanders:
Sieh, wir sind nicht mehr anders,
und wir wiegen uns auch.
Und wir sind nicht mehr zag,
unser Weg wird kein Weh sein,
wird eine lange Allee sein
aus dem vergangenen Tag.
Jedesmal erfüllt mich wieder dieser Traum, wenn ich Musik höre, die mir heilig ist, wie dieses „Ave Maria“, sei es „Call of the Unknown“ von Hari Deuter oder das Officium von Jan Garbarek, die Franziskanischen Gesänge aus Korsika oder „Gorets Jauna“, die Lieder der Mönche von Belloc in baskischer Sprache. Die Musik führt mich wieder hoch in mein Himmlisches Jerusalem, wo ich dann von allem befreit bin, das mich belastet auf dieser erdrückenden Welt. Ich bin wirklich in Gottes Haus, geborgen und befreit und aufgenommen von ihm, der uns alle aufnimmt, wenn wir zu ihm kommen. Gestern noch die Hölle auf den verbrannten, glühenden Feldern, heute der himmlische Frieden in dieser kühlen, steinernen Halle.
In San Pedro y San Ildefonso, der Hauptkirche der Stadt, ebenfalls honiggelbe Romanik, bestaune ich ein gewaltiges, quergespanntes Netzgewölbe. Es ist immer wieder überraschend, außen sind diese Kirchen romanisch, schwer und gedrungen und massig mit schmalen Fensterschlitzen und Rundbogen über Rundbogen bis zum Dach.
Tritt man durch das gewaltige Portal, reißt die Kirche innen auf zu diesen leichten, verspielten, flirrenden Netzgewölben, Gurtbogen kreuzt sich mit Gurtbogen in verspielten geometrischen Mustern, eher ein verflochtenes, hölzernes Zweigwerk eines Waldes darstellend als schweres, steinernes Deckengewölbe. Hier trumpft die leichte, schwebende, germanische Gotik über die schwere, lastende Romanik. Das Zelt Gottes. Hinter Gittern blendet eine goldene Retabel mit mozarabischem Hufeisenbogen in einem gemalten Renaissanceportal, verschmelzende Jahrhunderte und Kulturen.
Es ist Messe am Pfingssonntag. Ich gehe zur Kommunion mit den anderen Gläubigen, deren Gast ich ja bin. Nachher reicht man sich gegenseitig die Hände: Dominus vobiscum – Der Herr sei mit euch. Ein schöner Brauch hier in Spanien, wo einen wildfremde Hände begrüßen. Die Gemeinde grüßt den Fremden, nimmt ihn auf für eine Messe nur, an ihrem Tisch teil zu haben, wo es den Leib Christi gibt in der Hostie.
Ich entdecke eine Madonna in weißem Kleid mit rotem Mantel, ihr Jesuskind sieht aus wie eine Prinzessin. „La Virgen del Amor Hermoso“ steht darunter – 1851 – Die Jungfrau der schönen Liebe. In einer Nische darüber gibt es einen Jesusknaben in rosa Kleidchen und einem etwas dümmlichen Gesicht. Eine Seitenkapelle mit Zentralkuppel aus der Renaissance, in einer Nische knien zu beiden Seiten der Marienretabel zwei betende, steinerne Ritter auf steinernen Kissen.
Der Höhepunkt auf dem Hügel am Ende der Stadt hoch über dem blauen Fluß ist die Kathedrale, die Alfons VII. 1135 errichten ließ. Sie liegt auf weitem Platz in der flirrenden Sonne, ein heiliger Bezirk, getrennt von der menschlichen Stadt durch schwarzes, eisernes Gitterwerk. Der mächtige quadratische Turm „El Salvador“ – Der Erlöser – der alles Gebaute im Westen überragt, wurde erst im 13. Jahrhundert angebaut. Von der Plaza schaue ich weit über den träge fließenden Fluß mit seinen grünen Pappelwäldchen auf dem weißen hitzeflirrenden, unendlichen Land. Da kam ich gestern her, quälte mich über die sturmumtosten Kreidefelsen durcht versengte, verdorrte Steppe, Afrika näher als Europa. Vorbei, vorbei. Gestern die Hölle, heute der Himmel.
Die Kathedrale ist wegen Bauarbeiten geschlossen, im Dommuseum sehe ich einen schönen Santiago mit Leidensmiene und traumhafte flämische Tapisserien mit Geschichten über Hannibal und den Krieg von Troja in atemberaubenden, leuchtenden Farben. Alles ist ohne Perspektive auf einem Bild zusammen aufgebaut, die Pferde weiß, die Reiter rot. Dazwischen ein wenig Landschaft. Ergreifend in seiner plakativen
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