Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens
verbrachten eine lange Nacht mit Bildergucken von all unseren Wegen in ganz Spanien. Wir wanderten in meinen Dias und Louks Filmen alle unsere Jakobswege zum zweiten Mal und schworen uns nach dem dritten Brandy Freundschaft fürs Leben. So sollte es auch werden.
Aber heute Abend ist es noch eine schöne Runde, wir sitzen alle gemeinsam an dem langen Tisch in der Wirtsstube, es gibt Spaghetti Bolognese, den ewiggleichen grünen Salat und das übliche zarte Fleisch. Viel Abwechselung gibt es nicht in diesem kargen Land. Wir trinken Domingos leckeren, roten Wein, er bietet mir drei Zigarren an für Morgen und Übermorgen. Domingo spricht Deutsch, er hat lange Zeit in Köln gelebt und gearbeitet, Geld verdient, ist dann zurück in seine Heimat gegangen, hat sich von seinen Ersparnissen dieses Haus gekauft und bewirtet nun mit seiner Frau die Pilger mit deutscher Herzlichkeit und Sauberkeit. Dies ist ein typisches Schicksal mancher „Gastarbeiter“, die aus der Fremde dann doch am Ende zurückkehren in ihre Heimat.
Um zehn Uhr Nachts will uns Domingo, dessen Wein wir loben, seine „Bodega“ zeigen. Außer mir will niemand mit. Die anderen müssen früh raus, der Bus geht um acht. Ich bin neugierig wie immer, denke aber, er geht mit mir nur in seinen Weinkeller. Doch er zieht mich nach draußen in seinen tuckernden, uralten Ford Escort, den er wohl vor zehn Jahren aus Deutschland mitgebracht hat und fährt mit mir über stockdunkle, holperige Landstraßen hinaus aus dem Ort. Der Wagen hat nur einen Scheinwerfer, Stoßdämpfer auch nicht mehr, ich sacke jedesmal quietschend in die durchgesessenen Sitze. Über löcherige Feldwege, daß der Wagen knarrt und kracht, geht es durch die nachtdunklen Felder am Fluß entlang auf die Hügel. Einige rauschende Kurven zwischen dunklen Häuschen, dann stirbt der Motor ab. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, erkenne ich so langsam, wo wir sind. Da, wo ich heute Nachmittag die spitzen Hügelchen gesehen habe mit den toten Fenstern und Türen und den seltsamen Kaminen obendrauf. Jetzt, in der Nacht, ist hier Leben. Sie sitzen vor den Hüttchen in der warmen Nacht, lustige Gesellen mit vollen Gläsern. Sie kennen sich, laut und fröhlich begrüßen sie Domingo, er zieht mich auf eine Terrasse und zeigt mir stolz sein Land. Der Himmel ist durchstoßen von Millionen weißer Lichtpünktchen, ein schwarzes, samtiges Tuch, daß sich über die Ebene spannt. Unter uns in der Ferne gluckst leise und träge der Fluß hinter schwarzen Bäumen, flirren zitternd die Lichter der kleinen Stadt. Die Stille einer Sommernacht, silbrige Hügel in weiter Ferne über dem Fluß, das Gelächter der Nachbarn im Hintergrund.
Domingo reicht mir einen großen Schlüssel, den er umständlich aus seinen Jeans kramt, ich muß die schwere Holztür zu seiner Bodega öffnen. Drinnen ein erstaunlich großer Raum, kreisrund, mit schrägen Wänden, das Innere des Hügels. Tische und Bänke, ein offener Kamin mit einem Grillrost, Gaskocher und Krüge auf einer steinernen Anrichte. Im Zentrum führt eine steile Treppe hinunter mit Stufen, die aus dem gewachsenen Stein herausgehauen sind. Ein schräger Schacht fällt 10 Meter in eine dunkle, kühle, modrige Tiefe. Auch er ist mit Meißeln aus dem Fels geschlagen. Im Licht erkenne ich, daß es gar kein Fels ist, sondern harter Löß, aus dem Gang und Treppe herausgehauen sind. Sie sind in eine Lößterrasse gegraben, feiner Staub, den der Wind seit zigtausenden von Jahren hierhin geweht und in den der Fluß seine Terrassen gegraben hat. Unten kommen wir in einen hohen Keller mit gewölbter Decke, in dem ein altes, großes, hölzernes Faß steht. In einem zweiten Raum zeigt Domingo mir stolz einen blitzenden Edelstahltank. Dies ist seine „Bodega“, hier zieht und lagert er seinen Wein. Also doch unterirdische Weinkeller wie im Burgenland. Ich wußte es doch. Gleiche Nutzungen, gleiche Formen.
Als ich nach oben schaue, stockt mir der Atem. Der Keller hat gar keine Decke. Was ich als Gewölbe sah, ist ein zylindrischer Kamin mit schräg sich nach oben verjüngenden Wänden, die 20 Meter hoch in einen dunklen Kopf münden auf dem ein Kamin steht. Jetzt wird mir das Geheimnis der spitzen Hügel klar. Man grub in Jahrzehnten diese Keller aus und schüttete den Abraum oben auf zu diesen Hügeln. 10 Meter Loch ergibt 10 Meter Hügel. Nun hat man einen Kamin, durch den ständig kühle Luft von unten von den kalten Wänden nach oben ins Freie stößt, wo es
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