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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
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wärmer ist als hier unten. Eine natürliche Kühlanlage. Domingo zeigt mir an einem Thermometer, daß es hier unten das ganze Jahr über konstant + 10 Grad hat, auch wenn es draußen +35 Grad heiß ist. Genial. Ich bewundere die Klugheit unserer Vorfahren. Wir machen heute alles mit Energie, früher nutzte man die natürlichen Kräfte der Natur.
    Oben trinken wir aus zwei Gläsern Domingos schönen, dunklen, roten Wein, der erdig schmeckt wie dieser Keller. Dann schenkt er mir eine Flasche für den nächsten Tag. Er selbst trinkt nicht mehr, er sagt, die Policia streiche hier in den Weinbergen herum auf der Suche nach betrunkenen Zechern.

Der älteste Jakob

    Sonntag, der 11. Juni, von Santa Croya de Tera
    nach Ríonegro del Puente,
    27,7 Kilometer, gesamt 673,6 Kilometer
    31. Wandertag

    Ich breche früh auf. Wir frühstücken gemeinsam am langen Tisch, zum letzten Mal auf dieser Wanderung. Ich werde meine drei Freunde nicht mehr wiedersehen. Zum ersten Mal ist es kühl und diesig an diesem Morgen. Im Tal der Tera liegen feucht die Morgennebel, von der Brücke steige ich hoch nach Santa Marta de Tera, dem Nachbarort auf der anderen Flußseite. Oben auf dem Flußufer liegt die kleine romanische Kirche Santa Marta aus dem 13. Jahrhundert. Am Tor überrascht mich eine mit Flechten überwachsene Figur auf hohem Pfeiler. Ich habe ihn schon erwartet, mein Führer hat ihn angekündigt: mein heiliger Jakob sitzt dort oben streng und weltentrückt auf steinernem Sockel und blickt über mich hinweg in eine unbestimmte Ferne. Pilgerrock, Jakobsmuschel, langer Bart, in den Händen hält er ein steinernes Buch. Dies soll die älteste bekannte Darstellung eines pilgernden Jakobus sein, aus dem 11. Jahrhundert. Ich habe meinen Heiligen nicht oft getroffen auf diesem Weg, es ist wohl nicht sein Weg. Im Norden war er öfter anzutreffen, jene Wege sind mystischer, geheimnisvoller, durchdrungen von tiefer Magie und Religiosität. Die Wege hier unten sind wie das Land, realer, diesseitiger, Magie braucht Nebel und Wolken, Regen und Dunst, aus dem sie emporwabert.
    Ich sehe Santa Marta als den Eintritt in diese magische Welt, die mir wohl ein bißchen gefehlt hat in dieser gleißenden Helle der Endlosigkeit. Hier empfängt mich mein Heiliger zum Einlaß in sein mystisches Reich. Ich stehe da und schaue zu ihm empor, grüße ihn, spreche zu ihm in stiller Adnacht und bitte ihn um Schutz auf meinem weiteren Weg. Ich streife noch ein wenig durch den Friedhof, der um die Kirche herum angelegt ist, bewundere die schlichten romanischen Arkadenfenster an der Apsis, die noch die früheren schlitzartigen Fenster zeigen, die damals, als es noch kein Glas gab zu diesen Zeiten, mit dünn geschliffenen Marmorstreifen gefüllt waren, so dünn, daß das Tageslicht hindurchfiel und das dunkle Innere magisch erhellte.
    Jetzt beginnt der Norden. Ich streife durch die grünen Wildnisse am Fluß, der träge und flaschengrün durch die Schilfgürtel zieht, durch Pappelwäldchen, Ufergehölz, grüne Anpflanzungen. Es sieht ein wenig nach Niederrhein aus. Es sind wieder diese Wildnispfade, die ich so liebe, Abenteuerwege durch urwaldähnlichen Dschungel, lianenüberwuchert, efeubehangen, eine grüne Wildnis, die das Sonnenlicht dämpft, Schattenwelt. Am Uferweg hinter Calzadilla de Tera spricht mich ein alter Mann mit Strohut an, um mir den Weg zu zeigen. Er hat 14 Jahre lang als junger Mann in Goslar gearbeitet, einige Brocken Deutsch sind noch in Erinnerung geblieben, sein strahlendes Lächeln zeigt seine Freude, einen Deutschen getroffen zu haben, der ihn an seine Jugend erinnert. Menschen am Weg.
    Ich komme nun in eine ganz märchenhafte Welt. Der Weg wird ein Pfad durch tiefes, grünes, nasses Gras, verliert sich im Uferdickicht, schlängelt an versoffenen Tümpeln und Buchten vorbei, Bäume stehen schief im Wasser. Der Fluß zieht träge glucksend durch die Schilfgürtel, umspült die mangrovenartigen Wurzelblöcke der Bäume. Weiße Schilder warnen vor Hochwassergefahr: „Peligro“, im Frühjahr und nach starken Regenfällen, wenn der Damm oberhalb des Flusses Wasser abläßt, kann hier in kurzer Zeit alles unter Wasser stehen. Ein amphibischer Wald, der wochenlang überflutet ist. Für mich ist es eine Märchenwelt, die ich so lange vermißt habe im heißen, trockenen Süden. Das war kein Land für Träume. Nun hat mich meine Traumwelt wieder. Ich wußte es, als ich den moosbedeckten, olivgrünen Jakob heute morgen sah.
    Oben, nach dem

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