Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens
Hochufer der Stauseen zwischen Autobahn und der weiten, heute grauen Wasserflächen. Hinter den Bergen entwickelt sich eine gewaltige, schwefelgelbe Wolke, die den Himmel bald mit einem schwarzgrauen, düsteren Pilz überzieht. Ich ahne schon, was das ist: ein Waldbrand in den menschenleeren, trockenen Wäldern zur portugisischen Grenze hin. Da höre ich auch schon das Gedröhne der Flugzeuge, der Canadairs, die Wasser aus dem See tanken und es von oben auf die brennenden Bäume schütten. Ich kenne das aus Italien und Frankreich. Im letzten Jahr im Juli war hier die Gegend der großen Waldbrände, wo von hier bis Portugal bei 45 Grad die zundertrockenen Wälder in Flammen aufgingen und ganze Landstriche wochenlang brannten.
Noch ein langer Weg durch gelbduftende Hochheide, mit vereinzelten Wacholderbüschen gesprenkelt. Dunkle Wolken ziehen im Westen auf, schwarz wird der Tag, die ersten Tropfen fallen, ich krame schnell meine blaue Regenjacke aus dem Rucksack, rette mich auf eine Bank an der Straße unter einem Pilgerkreuz vor Cernadillo unter dichten Bäumen. Dann ist der Platzregen da. Der erste Regen nach Sevilla, seit dem 3. Mai, seit fünf Wochen. Nun bin ich in einem feuchten Land. Nur kurz fallen die Fluten, dann tröpfelt es aus, die Straßen waren von der Sonne so heiß, daß der Regen verdampft und der Asphalt nach einer Viertelstunde wieder trocken ist. Der Regen hat auch den Waldbrand gelöscht, der Rauchpilz bricht allmählich in sich zusammen und vergeht.
Die wenigen Örtchen sind klein und unbedeutend, das Land ist trockener Buschwald, von dem es jetzt feucht tröpfelt, auch hier wohnen kaum Menschen, im Hintergrund dröhnt die nicht sehr ferne Autobahn. Die Etappe ist heute wieder lang, das Land grün und langweilig, ich trotte durch die feuchten Büsche, vor Asturianos steht einsam und allein ein braunes Kirchlein mauerumwehrt auf gelben, feuchten Wiesen. Im Ort habe ich keine Lust mehr, alles ist feucht, alles tut mir weh, um viertel nach sechs erreiche ich die einzige Bar an der Carretera, weiß, modern und kalt. Ich frage die unfreundliche, dicke Wirtin nach einem Zimmer: „No hay“ ist die karge Antwort – in Asturianos gibt es nichts. Auch im nächsten Ort soll es nichts geben, von dem Haus von Teresa weiß sie nichts oder will es nicht wissen. Aber um viertel vor sieben soll es einen Bus geben. Ich kippe mein Bier herunter und haste zur Bushaltestelle vor der Apotheke. Es gibt kein Halteschild, ich nehme aber an, daß der Bus hier hält. Er hält natürlich 100 Meter weiter, ich haste dorthin, schmeiße den Rucksack in die große, geöffnete Ladeluke und erklettere den strahlend neuen, weißen Luxusbus. Außer mir ist nur noch ein Fahrgast da. Ich nenne meinem Fahrer mein Reiseziel: Puenta de Sanabria, der nächste Ort. Mißmutig knurrt er mich an, warum ich da nicht zu Fuß hin gehe, es seien doch nur 2 Kilometer, da könne ich doch auch laufen. Ich sage, erstens seien es auf dem Wanderweg 4 Kilometer, dafür würde ich eine Stunde brauchen und zweitens sei ich jetzt müde – cansado. Er brummt etwas in sich hinein, er ist sauer, daß er sein Luxusgefährt extra für mich dreckigen Pilger für eine Station stoppen mußte und jetzt auch noch meine 5 Euro wechseln muß. So sind sie halt, diese Castillanos, freudlos und unfreundlich, können sich nicht vorstellen, daß einer auch zu Fuß laufen will. Wahrscheinlich denkt er, ich sei so ein dreckiger Tramp, der nun seinen schönen Bus naß und schmutzig macht.
In Palacios winkt mir schon von weitem eine kleine Frau zu, die mir die Straße entgegen kommt. Teresa hat schon auf mich gewartet. Sie führt mich fröhlich gestikulierend zu ihrem Haus, das heißt das Haus, das sie vermietet. Es ist die alte, verlassene Metzgerei, ein weißes Gebäude aus den Fünfziger Jahren mit goldenen Alufensterprofilen. Der Eingang ist durch die weißgeflieste Metzgerei, wo alles noch so dasteht, als solle der Betrieb am Montag weitergehen. Der Holzklotz steht auf der Marmorbank, daneben liegt das Beil, die Edelstahlhaken hängen an der Wand, die Nirostaspüle ist auch da, alles sauber und aufgeräumt, nur das Fleisch und die Würste fehlen. Oben sind die Schlafzimmer. Tom liegt schon im Ehebett und begrüßt mich fröhlich, ich bekomme das Nebenzimmer mit Holzbett und Nachtschränkchen. Im Bad ist eine Sitzbadewanne, etwas gelblich vom vielen Scheuern, ein Kunststoffvorhang mit bunten Blumen hängt von der schiefen Blechschiene. Es ist alles sehr häuslich
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