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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
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frischem Brot und Vino Tinto. Eigentlich möchte ich heulen vor Enttäuschung und Seelenschmerz. Die Wirtin stellt mir nach dem Essen die Brandyflasche auf den Tisch, ich solle mich nur bedienen. Ich versuche doch noch ein wenig zu reden mit den beiden Spaniern, doch aus denen ist kaum ein Wort herauszulocken.
    Komisch, mit den Franzosen, den Holländern, den Italienern klappt das sofort, man erzählt die Kleinigkeiten vom Weg und aus seinem Leben. Die Spanier sagen nichts und wollen nichts wissen. Doch, sie fragen mich nach dem Jakobsweg für morgen, sie haben nämlich weder Führer noch Karte dabei. Heute sind sie den ganzen Tag 30 Kilometer auf der Carretera gelaufen. Ohne Pause, ohne Rast, ohne etwas zu sehen am Rand des Weges, nicht die Schönheiten, nicht die Natur. Ich komme nicht klar mit diesen Hackklötzen, die stundenlang in der Bar sitzen und in den Fernseher glotzen, nur Si! und No! Sagen und mit ihren Unterhosen im Bett schlafen. Dabei sind sie nicht eigentlich unfreundlich, sie sind nur verschlossen, haben wohl nie gelernt in ihrer Geschichte, mit Fremden umzugehen, sind nie Durchgangsland gewesen, isoliert am Rande Europas.

Domingos Bodega

    Samstag, der 10. Juni, von Tábara
    nach Santa Croya de Tera, 23,5 Kilometer
    gesamt 645,9 Kilometer
    30. Wandertag
     
    Heute Morgen kann ich erst mal kaum laufen. Mein rechter Fuß schmerzt wie mit Messern durchstoßen, trotz Stützstrumpf, trotz Antiflammatorio. Morgens, wenn ich noch kalt bin, ist es am schlimmsten. Ich schleppe mich an meinem Stock die Straße in das Dorf hinunter. Ein alter Mann auf dem Weg zu seinen Feldern, fragt mich besorgt, ob ich Schmerzen hätte. „Poquito“ – ein wenig, antworte ich gequält.
    Später wird es besser, wenn die Sonne kommt und es wärmer wird. Gegen elf Uhr sind die Schmerzen dann weg und ich kann zügig bis zum Abend laufen. Damit muß ich jetzt wohl leben. Der Pilgerweg ist auch ein Leidensweg. Kaum einer, der nicht Probleme hat: Blasen an den Füßen, Schmerzen in den Sehnen, Schmerzen im Kniegelenk, Schmerzen im Rücken. Santiago macht es uns nicht leid, ihn zu erreichen. Christus mußte auch seinen Leidensweg nach Golgatha machen, um am Kreuz erlöst zu werden. Und wir müssen die Demut wieder lernen.Ich kreuze die braune Ebene auf der langen Piste von gestern, schaue mich immer wieder um, ob ich nicht drei Punkte im Tal kriechen sehe, manchmal meine ich, das müßten sie sein, mein Herz klopft schneller, dann sind es nur zwei Steine oder Holzstangen, die sich nicht bewegen. Die rostrote Piste zieht endlos steil die Hügelkette hinauf, dahinter ändert sich die Landschaft.
    Ich überquere heute auf meinem Weg nach Norden mehrere Hügelketten zwischen dem Río Esla von gestern und dem Río Tera von morgen. Dazwischen liebliche, grüne Täler und Steineichenwälder. Die große Ebene liegt hinter mir. Zum Frühstück ruhe ich auf einer Wiese mit blühendem, duftendem Tymian, ein leichter Wind geht, die Grillen zirpen. Ich esse eine Orange, trinke etwas von meinem kühlen Wasser. Ein himmlischer Frieden liegt über dem Land, endlich segeln wieder weiße Wolken auf blauem Himmel. Kein Mensch außer mir, die Zivilisation ist weit weg, ausgesperrt hinter den blauenden Hügeln.
    Ich lese Finbar Fury:

    „Once we were young, we too had our dreams.
    To climb every mountain and see everything.
    But now we grow older and colder it seems.
    We’re yesterdays people with yesterdays dreams.“
    Ich gehöre, glaube ich auch, zu den „Yesterdays people“. Heute bin ich traurig und weine vor Glück. Das Land ist so schön und so sanft und so grün, ich könnte wieder endlos gehen und laufen, auch wenn nachher wieder heiße, verbrannte Macchia und nach Harz und Rauch duftende Kiefernwälder kommen: „To climb every mountain“. In Bercianos gibt es natürlich wieder keine Bar, also auch kein Bier zur Kühlung. Macht nichs, bald bin ich ja in Santa Croya.
    In einem Pappelwäldchen am Fluß erkenne ich schon von weitem drei kleine Gestalten, die an die dünnen Stämme gelehnt im Schatten dösen: Ja, ich habe meine verlorenen Freunde wiedergefunden. Jauchzend fallen wir uns in die Arme, Hallo Louk, Hallo Nolly, Salut Jean! Ich habe euch wieder. Sie waren doch in Tábara, aber nicht in der Herberge, die war ihnen zu weit draußen, sondern in einem Hotel an der Carretera, 1 Kilometer vor dem Ort.
    Ich hatte das Reklameschild an der Straße gesehen, aber mir nichts dabei gedacht. Sie hatten gut geschlafen, aber schlecht und teuer

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