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Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Titel: Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Petermann
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mit unausgepackten Schnaps-und Weinflaschen und ließen nur schmale Gänge frei. In Wilhelmine Heuers Büro sah es ähnlich aus: auch hier Regale mit Alkoholika und Kartons auf dem Boden. Auf Sofa, Hocker und den Sesseln lagen Backwaren und Berge von ungeordneten Papieren wie Belege, Rechnungen, Buchungsunterlagen, Zeitungen. Auf dem Schreibtisch ragte aus dem Durcheinander ein Geldzählbrett mit eingeordneten 5-und 10-Pfennig-Stücken heraus. Auch hier kein Silbergeld. Das Chaos schien eher ein alltagsbedingter Zustand zu sein und nicht durch eine wilde Durchsuchung hervorgerufen.
    Die Verbindungstür zwischen Laden und Wohnung stand offen, zwei in Höhe der Tür angebrachte Heizstrahler waren eingeschaltet.
    Die Wohnungstür war von innen mit einer Klinke und von außen mit einem Knauf versehen. Der Wohnungsschlüssel steckte von innen im Schloss, der Hörer der Gegensprechanlage hing nicht in seiner Halterung, sondern baumelte lose herunter. Über die Gegensprechanlage konnte ich Geräusche von meinen im Treppenhaus arbeitenden Kollegen hören.
    Im Schlafzimmer hing an der Türklinke eine braune geöffnete Handtasche. Ihr Inhalt war vermutlich herausgerissen und lag auf dem Boden verstreut. Eine flache Schachtel auf der Frisierkommode zeigte oben ein staubfreies Rechteck. Die Decke des mitten im Raum stehenden Bettes war zurückgeschlagen, über das Laken hatte jemand quer ein Handtuch gebreitet, auf dem ein zusammengefaltetes Taschentuch, zahlreiche Zettel mit Notizen und eine Keksdose lagen. Deren Maße entsprachen dem staubfreien Bereich auf der Schachtel. Ich vermutete, dass der Täter bei seiner Suche nach Wertsachen und Geld den Inhalt der Keksdose auf dem Bett ausgekippt hatte.
    Im Wohnzimmer lag auf einem der beiden Tische offen ein Scheck über hundert Mark. In der geöffneten Handtasche auf dem anderen Tisch fand sich ein Portemonnaie – mit mehreren Hundertmarkscheinen. Auch hier kein Hinweis auf eine Durchsuchung des Zimmers.
    Die Obduktion brachte wenig Überraschendes. Wilhelmine Heuer war in den späten Abendstunden des Vortages geschlagen, erwürgt und postmortal noch gedrosselt worden. Diese Kombination habe ich oft an Tatorten erlebt, und sie bedeutet eigentlich immer dasselbe: Der Täter wollte sichergehen, dass sein Opfer auch tatsächlich tot war, bevor er den Tatort verließ. Eine Verletzung am Hinterkopf stammte vermutlich von einem Sturz gegen einen Heizkörper, es gab Anzeichen für eine kurzzeitige Ohnmacht. Die Frau hatte sich nicht gewehrt. Dafür sprachen fehlende Anwehrverletzungen. Ihre blutende Unterleibsverletzung war zu Lebzeiten entstanden, möglicherweise durch ein schmales, längliches Werkzeug.
    Zurück in der Dienststelle erfuhr ich von meinen Kollegen des ED, dass sie bei der Spurensuche zahlreiche Fingerabdrücke und einen Schuhabdruck gefunden und die Leiche mit Folie für Faseruntersuchungen abgeklebt hatten. Anzeichen für einen Einbruch in die Wohnung oder den Laden gab es nicht. Diese Aussage wies für mich darauf hin, dass Wilhelmine Heuer ihren Mörder offensichtlich gekannt und ihn freiwillig nach Geschäftsschluss in den Laden eingelassen hatte, um ihn zu bedienen. Aus den Tatortspuren zog ich weitere Rückschlüsse: Der Täter hatte Wilhelmine Heuer im Bereich des Verkaufstresens angegriffen, ihr dabei die Knöpfe vom Kittel und der Bluse gerissen und sie dann in den Nebenraum gedrängt und zu Boden geworfen. Nach dem sexuellen Missbrauch und der Tötung hatte der Täter das Licht im Laden gelöscht, dabei irrtümlich die Heizstrahler eingeschaltet, in der Wohnung von Wilhelmine Heuer nach Wertsachen und Geld gesucht, über die Gegensprechanlage gelauscht, ob sich Personen im Treppenhaus befinden, und den Tatort über die Wohnung verlassen.
    Vermutlich hatte er auch die Flasche Korn auf der Ablage des Tresens zurückgelassen. Denn in der Zwischenzeit hatte die vermeintlich letzte Kundin ausgesagt, auf der Ablage habe keine Flasche gestanden, als sie gegen 18.30 Uhr im Laden gewesen sei. »Das wär mir aufgefallen, ich arbeite in einer Gaststätte, da hat man einen Blick für solche Sachen.«
    Aufgrund dieser Überlegungen begannen meine Kollegen und ich den Kreis der Verdächtigen einzugrenzen. Nach allem, was wir bisher über die geschäftlichen Gepflogenheiten wussten, musste der Täter ein ihr so vertrauter Kunde gewesen sein, dass sie ihn ohne Misstrauen in den Laden eingelassen hatte. Dieser Ermittlungsansatz bedeutete aber auch, dass wir in den kommenden

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