Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Jeansfasern durch chemische Elemente beim Herstellungsprozess, Waschen und die Tragedauer einen individuellen Charakter – quasi einen »chemischen Fingerprint«. Durch die genaue Untersuchung aller an der Leiche gesicherten Jeansfasern konnte man diese später mit denen einer möglichen tatrelevanten Jeans vergleichen – also mit der Hose eines Verdächtigen bzw., falls das Kleidungsstück bereits entsorgt war, mit in dessen Wohnung gefundenen Fasern.
Diese erweiterte Faserbestimmung war für mich vollkommen neu, denn bisher waren bei entsprechenden Untersuchungen ausschließlich die Morphologie, der Querschnitt, die Farbe, die Pigmentierung, das Spektralund Fluoreszenzverhalten untersucht worden. So hatte ich in früheren Fällen lediglich die Auskunft erhalten, dass tatrelevante Fasern von dem untersuchten Textil oder einem Kleidungsstück aus der gleichen Produktion stammen könnten. Ich erfuhr weiter, dass die Elementzusammensetzung in einer Faser immer signifikanter wird, je länger ein Textil im Gebrauch ist.
Mit den Unterscheidungskriterien männlich, Blutgruppe AB, dem Opfer gut bekannt (vermutlich Stammkunde oder aus der Nachbarschaft), Jeansträger und Korntrinker begannen meine Kollegen und ich die Überprüfungen der möglichen Tatverdächtigen. Nach wenigen Wochen konnten wir bereits die meisten von ihnen durch den Blutgruppenvergleich ausschließen. Übrig blieb nur knapp eine Handvoll möglicher Tatverdächtiger. Wir überprüften ihre Alibis und ließen uns ihre Bekleidung für einen Faservergleich aushändigen.
Einer von ihnen war Fritz Henkel: 57 Jahre alt, verheiratet, drei erwachsene Kinder, vormals Bauarbeiter und jetzt arbeitslos, unmittelbarer Nachbar und Stammkunde von Wilhelmine Heuer sowie ihr größter Schuldner. Laut Unterlagen des Mordopfers hatte er gemeinsam mit seiner Frau im Laufe der Jahre Verbindlichkeiten von fast 3000 Mark angehäuft.
Gut zehn Tage nach dem Mord befragten ein Kollege und ich ihn das erste Mal zu seiner Beziehung zu Wilhelmine Heuer und zu seinem Alibi. Fritz Henkel, untersetzt und kräftig, erschien geradezu bierselig zu der Vernehmung und machte kein Hehl daraus, dass er gerne trank. Er kam aus dem »Kohlenpott « und posaunte seine Gedanken aus. » Ich kannte Oma Heu seit meiner Kindheit. Meine Mutter hat mich schon zu ihr zum Einkaufen geschickt. Unser Verhältnis war gut, wir haben uns sogar geduzt. «
Zwar bestritt Fritz Henkel die Höhe der Schulden, räumte jedoch freimütig ein, dass er häufig im Geschäft zum Einkaufen gewesen sei – selbst nach Feierabend – und dort auch Bier und Flachmänner getrunken habe, allerdings keinen Korn. Die Nebenräume und die Wohnung habe er nicht betreten dürfen. Nicht einmal, um beim Tragen von schweren Kartons zu helfen. »Als ich das mal trotzdem gemacht habe, ist sie ganz schön sauer gewesen und hat mich vor allen anderen zusammengefaltet. Dachte wohl, dass ich mich bei ihrem Bier bedienen wollte. Habe das dann schnell sein lassen und auch später nie wieder gemacht.« Fritz Henkel behauptete weiter, den Laden von »Oma Heu« seit fast zwei Jahren nicht mehr betreten zu haben. »Ich bin ein häuslicher Typ und trinke viel lieber zu Hause. Die täglichen Einkäufe macht meine Frau Käthe. Sie holt auch den Nachschub und die Zigaretten.«
Als wir ihn mit der theoretischen Möglichkeit konfrontierten, er könnte sexuellen Kontakt mit Wilhelmine Heuer gehabt und sie getötet haben, reagierte er vollkommen entrüstet: »Das glaubt ihr doch wohl selber nicht. Ich soll was mit Oma Heu gehabt und sie ermordet haben?« Doch ein Alibi für den gesamten Abend konnte er nicht vorweisen: »Ich habe gefeiert. Im kleinen Kreis: nur ein paar Flaschen Bier und ich. So um Viertel nach elf bin ich ins Bett. War ganz schön angeschlagen.«
Seine Angaben könnten vermutlich seine Frau Käthe, die Verlobte seines Sohnes sowie ein Nachbar bestätigen. Seine erst vor wenigen Wochen gekaufte Jeans stellte er bereitwillig für die Faseruntersuchung zur Verfügung, zudem machte er ohne Zögern Angaben zu seinem Gesundheitszustand. Vor drei Jahren sei er wegen Prostataproblemen operiert worden. »Aber mit dem Sex klappt das noch immer. Das lasst mal ruhig meine und Käthes Sorge sein.« Ob sich durch die Operation seine Spermaproduktion verändert hatte, wusste Fritz Henkel nicht zu beantworten: »Fragt doch die Ärzte, und wenn ihr wollt, dann kann ich euch ja mal ’ne Ladung zur Untersuchung mitbringen.«
Sein Alibi zu
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