Auf der Spur des Hexers
sterben oder anderswie zu Schaden zu kommen. Immer noch richtig?«
»Wenn das stimmen würde, dann gingen Sie ein großes Risiko ein, sich in meiner Nähe aufzuhalten«, sagte Andara.
H.P. lächelte. »Risiken einzugehen ist mein Beruf«, sagte er. »Außerdem wäre das Leben höchst langweilig, wenn einem niemand danach trachtete. Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«
»Es war keine«, sagte Andara. »Aber ich muss Ihnen gratulieren, H.P. Auch wenn Ihre Schlussfolgerungen falsch sind, haben Sie hervorragende Arbeit geleistet. Ich möchte Sie nicht zum Feind haben.«
»Diesen Wunsch teilen Sie mit einer Menge anderer«, sagte H.P., und so, wie er es sagte, klang es vollkommen ernst. »Und meine Schlussfolgerungen sind nicht falsch. Jemand jagt Sie, Andara, Sie und Ihren Sohn. Ich weiß nicht, wer und warum, aber Sie sind seit zehn Jahren auf der Flucht vor diesem Jemand, und heute Abend hätte er Sie um ein Haar erwischt. Ihr Sohn wurde entführt.«
Andara presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Seine Hand schloss sich so fest um die Kaffeetasse, dass sie das dünne Blech eindrückte. »Was soll das?«, fragte er. »Wer sind Sie, und was wollen Sie von mir? Warum erzählen Sie mir das alles?«
»Um Sie davon zu überzeugen, dass Rowlf und ich nicht Ihre Feinde sind«, antwortete H.P. ernst. »Wie gesagt, Mister Andara – ich habe lange nach einem Mann wie Ihnen gesucht. Sie und ich, wir sind gewissermaßen Schicksalsgenossen. Auch ich werde verfolgt, und wenngleich meine Feinde durchaus weltlicher Art und Weise sind, sind sie kaum weniger unangenehm als die … Individuen, die Sie jagen.«
»Das tut mir ausgesprochen leid«, sagte Andara kalt. »Aber ich wüsste nicht, wie ich Ihnen helfen könnte. Ich habe selbst genug Probleme.«
»Und ich habe die Lösung dazu«, sagte H.P. lächelnd. »Oder zumindest einige Anhaltspunkte, die uns ihr näher bringen könnten.« Er warf seine Zigarre in die Kaffeetasse, sah zu, wie die Glut zischend erlosch und zündete sich sofort eine neue an. »Ihr Sohn wurde entführt. Ich weiß nicht, warum, und ich weiß nicht, von wem – aber ich weiß, wo er ist. Genauer gesagt, wo er aller Wahrscheinlichkeit nach hingebracht werden wird.«
»So?«, fragte Andara. »Und wo?«
»R’Lyeh«, antwortete H.P. ruhig.
Andara fuhr zusammen wie unter einem Schlag, sprang halb von seinem Stuhl auf und erstarrte mitten in der Bewegung. »Woher kennen Sie diesen Namen?«, fragte er. »Was wissen Sie von R’Lyeh und –«
»Und dem Cthulhu-Kult?« H.P. lächelte ein wenig breiter, aber seine Augen blieben kalt. »Eine Menge, mein lieber Freund. Wenn auch sicherlich nicht so viel wie Sie – einer der Gründe, aus denen ich Kontakt mit Ihnen aufzunehmen wünschte.«
Andara starrte ihn an, suchte vergeblich nach Worten und ließ sich schließlich wieder auf seinen Stuhl zurücksinken. »Das sind … Hirngespinste«, sagte er stockend. »Dummes Geschwätz, an … an dem kein wahres Wort ist.«
H.P. schürzte ärgerlich die Lippen. »Unsinn«, sagte er heftig. »Hören Sie endlich auf, den Unwissenden zu spielen, Andara. Ich habe Ihnen diesen Vortrag nicht gehalten, um mich von Ihnen mit Gemeinplätzen abspeisen zu lassen. Ich brauche Sie, und Sie brauchen mich, begreifen Sie das endlich. Also lassen Sie uns damit aufhören, kostbare Zeit zu verschwenden.«
Länger als eine Minute starrte Andara ihn an, und es war ein Blick, unter dem selbst H.P. immer unsicherer und nervöser zu werden begann. »Was wissen Sie?«, fragte er schließlich.
H.P. atmete hörbar auf. Das Eis war gebrochen, das spürte er. Mit einem deutlich erleichterten Lächeln hob er seine Zigarre, sog den Rauch tief in die Lungen und atmete hörbar wieder aus. »Nicht sehr viel«, gestand er. »Aber das wenige, was ich in Erfahrung bringen konnte, ist schlimm genug. Sagen wir: Ich weiß, dass die Welt nicht nur aus den Dingen besteht, die wir sehen und anfassen können.«
»Das hat Shakespeare schon besser formuliert«, sagte Andara. »Wir sprachen gerade über Gemeinplätze, H.P. Wenn Sie Ehrlichkeit von mir verlangen, dann fangen Sie selbst damit an.«
H.P. schien auffahren zu wollen, beließ es dann aber bei einem verärgerten Stirnrunzeln und blies eine Qualmwolke in Andaras Richtung. »Sie sind ein misstrauischer Mensch, Roderick«, sagte er. »Aber vielleicht können Sie nichts dafür. Möglicherweise wird man zwangsläufig so, wenn man zu lange auf der Flucht ist.«
»Das sollten Sie
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