Auf der Straße nach Oodnadatta
gleiche sein wie ein Eingeständnis von Selbstmitleid. So war die Ebene, auf der sie sich befanden, Vater und Tochter. Was Kate brauchte, war Rückversicherung. Oder dass er sie vom Haken ließ. Oder verstanden zu werden. Von oder durch ihn allein. Sie konnte sich nicht vorstellen, irgendjemand anderem von den Dingen zu erzählen, die zwischen ihr und ihrem Vater lagen.
Nachdem Kate ihren Ausweis der Nachtwache gezeigt hatte, die sie nicht kannte (dem einzigen Menschen, der in der Abteilung arbeitete), ließ er sie in das Zimmer ihres Vaters. Der Pfleger erhob sich, als sie eintrat. Falls er von der Uhrzeit ihres Besuchs erstaunt war, zeigte er es nicht, sondern sagte nur, falls sie allein mit ihrem Vater sein wollte, würde er in der Cafeteria einen Latté trinken und zurückkommen, wenn sie ihn über den Pieper riefe.
Alles sah genauso aus wie bei ihrem letzten Besuch. Bei oberflächlicher Betrachtung wirkte es, als hätte die Zeit für ihren Vater stillgestanden. Man konnte natürlich nicht wissen, was in seinem Kopf vor sich ging. Bledsoe hatte gemeint, man solle warten, bevor man den Startschuss zu einem Regenerationsprojekt gab. Aber Kate wusste jetzt, dass ihr Vater von ihr erwartete, dass sie das Kloning-Projekt sofort startete – damit Bledsoe genügend Stammzellen zur Verfügung hatte, wenn er sich entschloss, mit der Regeneration zu beginnen.
Regeneration. Kate fühlte sich, als stünde für sie die Zeit still, als sei sie gefangen in einer Welt wie der von Alice im Wunderland, in der es unmöglich war, Verlangen auszudrücken und in der Tatsachen einem zwischen den Fingern zerrannen. Was immer sie für Zellen benutzten, die einer Fremden oder die eines Klons – ihr Vater würde nie mehr die Person sein, die er gewesen war. Die Literatur, die er für sie zusammengestellt hatte, hatte nur Regenerationen kleinen Umfangs beschrieben, Fälle, bei denen die Zellschädigung kein Koma verursacht hatte, sondern nur sehr eingegrenzte Arten neurologischer Defizite. Keiner dieser Fälle betraf bewusstlose Patienten, bei denen irgendeine Erinnerung wiederhergestellt worden wäre. War Erinnerung nicht der Kern einer Person? Kate mochte vielleicht glauben, dass die neuen Zellen – besonders wenn sie von einem Klon stammten – besondere Merkmale der Persönlichkeit ihres Vaters duplizieren konnten, vielleicht sogar das volle Ausmaß seines umjubelten Genius. Aber sein Bewusstsein würde doch nicht mehr dasselbe sein, oder? Wäre er nicht von seinen Gefühlen her wie ein Kind, ohne die Erfahrungen eines erwachsenen Mannes?
Kate beugte sich nahe zu seinem Ohr. »Du sagst, dass du mich liebst, Vater«, sagte sie beinahe flüsternd. »Du sagst, ich schulde es dir, deinen Genius am Leben zu erhalten. Du hast mir das Leben gegeben, und nun soll ich es dir danken, indem ich dir ein neues Leben gebe, das mehr Unsterblichkeit bedeutet als ein leiblicher Sohn. Aber du hast mich das nie von Angesicht zu Angesicht gefragt. Du hast mir nie die Möglichkeit gegeben, mich zu entscheiden, ob ich mit dieser Verantwortung belastet werden will. Der Gedanke an das Ganze verursacht mir Übelkeit, Vater. Der Gedanke an all die Embryonen, mit denen du diese Teams hast experimentieren lassen. An all die Chimären, die zu grotesk waren, um sie weiterwachsen zu lassen. Ich will mit solchen Plänen nichts zu tun haben, Vater. Es bringt dich mir nicht zurück, falls es nicht nur ein paar Zellen sind, die wiederhergestellt werden müssen und die Bledsoe auch legal bekäme, ohne irgendeine Frau mit der Bürde zu belasten, einen Fötus in sich zu tragen, bis er reif zur Ernte ist. Natürlich würde sie gut bezahlt werden, keine Frage. Besser als irgendeine Surrogatmutter vor ihr. Aber die Tatsache, dass du eine solche Dienstleistung kaufen kannst, heißt noch lange nicht, dass sie moralisch richtig ist. Begreifst du das nicht? Diese Frauen können sich keine eigenen Kinder leisten. Die ökonomischen Gegebenheiten ermöglichen erst die Verfügbarkeit solcher Dienstleistungen. Gegebenheiten, die du geholfen hast zu erzeugen, gleichgültig, wie sehr du auch die Konsequenzen deines genialen Denkens ableugnest.«
Genial. Das Wort schmeckte bitter in Kates Mund. Es war ein Wort, das sie ihr Leben lang gehört hatte. Erst von ihrer Mutter – bewundernd, dann säuerlich, schließlich sarkastisch. Von ihm. Von der ganzen Welt, entweder kriecherisch oder hasserfüllt. Präsidenten liebten es, in ihren Ansprachen ihren Vater zu erwähnen – als
Weitere Kostenlose Bücher