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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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denkbare Anzahl tiefgefrorener Mahlzeiten allein zu bereiten, durchwühlte sie selbst den Gefrierschrank. »Hat jemand angerufen?«, fragte sie, als sie die Folie von einer Packung Auberginen in Curry und Reis entfernte.
    Matt, Marjorie, Jeff und Joel hatten angerufen, was keine Überraschung war. Matt aber hatte viermal angerufen, jedes Mal dringender. Da Kate das Haus angewiesen hatte, sie nur zu stören, wenn ein Arzt anrief, war sie sicher, dass Matts Drängen entweder etwas mit Geschäften oder Public Relations zu tun hatte, was ihr beides nicht wichtig erschien. Anstatt die Anrufe zu beantworten, rief sie über das Haus den Fahrer, um ihm zu sagen, dass sie um drei Uhr nach Seattle zurückfahren wollte.
    Nachdem sie das Currygericht gegessen hatte, legte Kate sich hin, um etwas zu schlafen. Der Madrona Bitter, den sie zum Essen getrunken hatte, hätte sie umhauen sollen, tat es aber nicht. Obwohl es ihr gelang, sämtliche Gedanken zur Seite zu schieben, die mit den beiden wetteifernden Teams zu tun hatten, drängten sich andere Gedanken an die Oberfläche ihres Bewusstseins und mit ihnen ein ganzes Heer von Erinnerungen. Sie erinnerte sich an jenen Besuch, den ihr Vater erwähnt hatte, die Gelegenheit, bei der er ihr von den »denkenden« Funktionen des Gehirns erzählt hatte, die nur durch mütterliche Gene weitergegeben wurden. Sie wusste den genauen Wortlaut des Gesprächs nicht mehr, erinnerte sich aber noch, dass er ankündigte, er würde damit aufhören, sie damit zu drängen, in seine Geschäfte einzusteigen und ihr einen Milliarden Dollar Trust anbot, der ihr die finanzielle Unabhängigkeit garantierte. Es bleibt mir keine andere Wahl, als zu akzeptieren, dass du kein Span von dem alten Stamm bist, es auch niemals sein kannst, hatte er gesagt. Ich entdecke einiges von mir in dir, aber du bist eindeutig deiner Mutter Tochter, da geht kein Weg daran vorbei. Damals hatten sie diese Worte gekränkt, weil sie wusste, dass er ihre Mutter verabscheute und Kates Ähnlichkeit mit ihr nur als schreckliches Handikap ansehen musste. Sie war aber von seiner großzügigen Geste geblendet und hatte gedacht, dies sei sein einzig möglicher Weg, die schleichende Enttäuschung darüber auszudrücken, dass sie nie die Rolle des Kronprinzen spielen würde, Enttäuschung, die schließlich von Akzeptanz gemildert wurde. Er hatte ihr immer gesagt, man solle das »Negative« ignorieren. Er hatte ihr beigebracht, das Positive zu sehen, wo immer es auch auftauchte. Also hatte sie das Positive gesehen, sich daran geklammert als den Beweis, dass er die Person, zu der sie herangewachsen war, akzeptierte und liebte, auch wenn sie nicht genau das geworden war, was er sich erhofft hatte. Und sie hatte jede spätere Erwähnung ihrer Ähnlichkeit mit ihrer Mutter für rhetorisches Hänseln gehalten. Jetzt erst verstand sie es. Sie hatte sich immer für ihres Vaters GUTE Tochter gehalten. Jetzt begriff sie, dass sie nicht einmal annähernd als GUTE Tochter gegolten hatte.
    Die ganzen Jahre über hatte er geplant, sich klonen zu lassen. Hatte er auch einmal daran gedacht, einen Klon erwachsen werden zu lassen, als seinen Erben? Es war nicht ausgeschlossen. Der Klon würde sein Gehirn haben und alles sein, was er sich bei einem Sprössling wünschte. Er würde all das sein, was sie – mit den von ihrer Mutter ererbten höheren Gehirnfunktionen – nicht war. Als sie dalag, mit Sodbrennen vom Bier und dem Curry, wurde es Kate speiübel. Es war alles zu deutlich. Er hatte sie geliebt wie jeder pflichtbewusste Vater seine Tochter, aber wie einer, der ein schlechtes Geschäft gemacht hatte. Und so hatte er arrangiert, sie zu benutzen, den zweitklassigen, aber treuen Sprössling, damit alles so richtig wurde, wie sie niemals gewesen war und, genetisch bedingt, nie sein konnte.
     
    Als der Bus die Evergreen-Point-Schiffsbrücke überquerte, setzte sich Kate auf und rief dem Fahrer zu: »Nehmen Sie die Ausfahrt Montlake, Jerry. Von dort ist es nur ein halber Kilometer bis zum Krankenhaus. Ich will direkt dorthin.«
    Sie war außerstande gewesen zu schlafen und wünschte sich nichts sehnlicher, als ihren Vater zur Rede zu stellen, mit ihm zu streiten, ihn anzuschreien. Ihn wissen zu lassen, wie sehr er sie verletzt hatte – wenn es möglich gewesen wäre, ein solches Geständnis zwischen ihnen überhaupt auszusprechen, was es angesichts der unausgesprochenen Regeln nicht war. Ihm zu sagen, dass er sie verletzt hatte, würde in seinen Augen das

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