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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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repräsentatives Spektrum amerikanischer Männlichkeit in ihrem »Harem« zu halten.
    »Ich hab nichts«, sagte sie und drückte seine Hand. »Wirklich nichts.« Sein Angebot, über Nacht bei ihr zu bleiben, nahm sie jedoch an. Sie schluckte die Schlaftablette und lud Jeff ein, sich auf die Bettdecke zu legen, um mit Kate zu kuscheln. Wenig überraschend führte eins zum anderen, und bevor sie es sich versahen, vögelten sie. Obwohl die Schlaftablette, nachdem Kate ein paar Orgasmen gehabt hatte, ihren Tribut forderte, erwachte sie anderthalb Stunden später, außerstande, wieder einzuschlafen. Ihre Gedanken waren niederdrückend wie gehabt, aber an Jeffs Rücken gepresst und sein Schnarchen im Ohr fühlte sich Kate weniger verlassen, weniger einsam. Aber trotzdem, das merkte sie genau, wollte sie weder Jeffs Meinung noch die von irgendjemand anderem darüber hören, was richtigerweise zu tun sei. Wie immer diese Meinungen lauten mochten, für Kates tatsächliche Entscheidung waren sie unwichtig und selbst wenn sie mit ihrer eigenen übereinstimmten, würde es sie nicht trösten.
     
    Kate hatte die ganze Zeit über gewusst, dass sie eher abwartete als zauderte. Ihrer Meinung nach wartete sie einfach darauf, dass ihr Vater das Bewusstsein wiedererlangte. Am zwölften Tag nach dem Schlaganfall trat indessen eine ernste Krise ein, die ihrem Abwarten ein jähes Ende setzte.
    Der Tag begann mit einem privaten Gespräch mit Lee Park. Nachdem er für Kate und sich selbst Kaffee geholt hatte, setzte sich Park hinter seinen Schreibtisch, stemmte die Ellbogen auf die Oberfläche und verschränkte seine langen schlanken Finger dicht vor seinem Mund. Er fragte höflich, ob sie mit ihrer Unterbringung im Krankenhaus zufrieden sei, dann sagte er: »Meine Aufgabe ist nicht gerade erfreulich. Ich werde Sie jetzt darüber informieren, welche Behandlungsmöglichkeiten uns bei dem momentanen Zustand Ihres Vaters noch verbleiben.« Und nach einem Räuspern: »Ehrlich gesagt, Ms. Abbotson, haben wir auf so was wie ein Wunder gewartet. Sämtliche Scans, die wir machen ließen, wiesen auf eine beträchtliche Schädigung des Zellgewebes hin. Sie wissen sicher, dass sich neurales Gewebe nicht einfach selbst erneuert. Manchmal ist es zwar möglich, kleinere Bereiche zu regenerieren, die neuralen Verzweigungen neu zu schmieden. Aber bei Ihrem Vater ist die Schädigung zu groß.«
    Kate wurde es eiskalt. »Was soll das heißen? Dass er nicht mehr aus dem Koma erwacht? Wollen Sie das damit sagen?« Und Sie haben es die ganze Zeit über gewusst. Parks lavagraue harte Augen trafen sich mit ihren. »Nicht ohne ein Programm zur Zellregeneration.« Er löste die Verschränkung seiner Finger, um die Kaffeetasse zum Mund zu heben. »Ich will offen mit Ihnen reden«, sagte er, nachdem er getrunken hatte. »Um dieses Programm auszuführen, benötigt Dr. Bledsoe neuroephitale Stammzellen. Diese finden sich nur in Föten. Zellen, die einem ausgewachsenen Körper entnommen werden, sind nicht so anpassungsfähig und schmiegsam wie fötales Gewebe, das eine phänomenale Fähigkeit besitzt, sich entsprechend den Bedürfnissen des Gastorgans zu differenzieren. Während das Gesetz Personen erlaubt, Kinder nur zu dem Zweck zu zeugen, ihre Organe nach der Geburt auszuschlachten, wenn die Entfernung dieser Organe keine bleibenden Schäden mit sich bringt, verbietet es die vorsätzliche Erzeugung fötalen Gewebes zum instrumentalen Gebrauch. So sind wir gesetzlich verpflichtet, auf eine Fehlgeburt oder Abtreibung zu warten. Da diese im zweiten Schwangerschaftsdrittel selten vorkommen, können wir unter Umständen ewig warten.«
    Während Park redete, hatte Kate die Arme um sich geschlungen. Sie zitterte dermaßen, dass sie nur unter Mühe ein Zähneklappern unterdrücken konnte. Das Puzzle fügte sich nun schlagartig zusammen, und sie erkannte das ganze abstoßende Bild. Ihre Lippen bebten vor Anspannung, als sie die Hand hob und sagte: »Es hat keinen Zweck, Dr. Park, dieses Gespräch weiterzuführen. Ich beabsichtige nicht, die zerstörten Gehirnzellen meines Vater regenerieren zu lassen. Sie haben eben selbst gesagt, dass der Verlust an Zellgewebe massiv ist. Das heißt für mich, dass der Mensch, der mein Vater war, gestorben ist. Neugewonnenes Zellgewebe bringt ihn nicht zurück. Ein Fremder würde seinen Platz einnehmen. Und das klingt für mich, als wollte man einen erbärmlichen Zombie erzeugen, indem man den Körper meines Vaters mit einer funkelnagelneuen

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