Auf der Straße nach Oodnadatta
draußen kann das leicht ins Auge gehen. Auf Gefühle sollte man hier nichts geben. Ich habe schon genug Männer sterben sehen, weil sie auf ihr Gefühl vertrauten und im Kreis herumgelaufen sind, bis sie verdurstet waren«, meinte Brahe lakonisch.
»Nun, ich konnte mich immer auf mein Gefühl verlassen«, unternahm ich einen halbherzigen Versuch, ihn doch noch für meinen Plan zu gewinnen.
Mit einer ruckartigen Bewegung wandte er mir sein Gesicht zu. Die eine Hälfte schien im Licht der Flammen ein eigenartiges Eigenleben zu führen, während die andere im Schatten der Nacht lag. »Und wann hat dir dein Gefühl gesagt, dass du nicht mehr genug …« – er suchte nach einem Wort, fand es aber nicht – »nicht mehr genug Zeug für deine Lokomotive hast?«
Ich hätte ihm eine reinschlagen mögen. Aber natürlich hatte er Recht. Ich redete hier groß von Vorahnungen, versuchte ihn, zumindest aus seiner Warte, in ein risikovolles Abenteuer zu treiben, und war doch selbst nur ein Gestrandeter. Wie genau dies allerdings zutraf, ahnte Brahe noch nicht einmal. »Schon gut«, lenkte ich ein, »du hast ja Recht.«
»War auch nicht so gemeint, aber mir scheint, du hast nicht viel Erfahrung hier draußen. Mich wundert, wie du bis jetzt so gut durchgekommen bist. Von Sydney bis hierher. War bestimmt nicht einfach.«
Neben der unüberhörbaren Aufforderung, jetzt endlich mehr über meine Reise durch das Innere Australiens preiszugeben, glaubte ich auch ein deutliches Misstrauen in seiner Stimme zu erkennen. »Nein, einfach war es nicht, doch längst nicht so schwer wie euer Weg«, versuchte ich den Ball wieder Brahe zuzuspielen, doch er ging nicht darauf ein. Wenn er nicht kurz danach aufgestanden wäre, hätte ich ihm die Wahrheit gesagt. Doch er verabschiedete sich mit einem kurzen Kopfnicken, gab mir wieder seine Uhr und die Anweisung, Jonathan nach zwei Stunden zu wecken. Wir waren uns immer noch nicht sicher, was die Abos betraf. Ich nickte und lauschte auf das Rascheln im Gebüsch, dann das Plätschern eines Wasserstroms, der aus Brahes Körper auf den knochentrockenen Boden prasselte. Patton bewegte sich im Halbschlaf und stöhnte. Irgendwo krächzte ein Kakadu. Das beständige Scharren der Pferdehufe nahm ich schon gar nicht mehr wahr. Ich legte ein Stück Holz aufs Feuer und schlug den Kragen meiner Daunenweste hoch. Die Nacht begann kalt zu werden. Ich sank immer tiefer in meinen Stuhl und blickte zu den Sternen hinauf. Was kümmerte es das Universum, ob auf einem kleinen Planeten am Rande einer unbedeutenden Galaxis drei Menschen lebten oder starben? Es ist schlichtweg lächerlich zu glauben, dieser Umstand hätte irgendeinen Einfluss auf ein so großes Gebilde wie das Universum. Dass dem nicht so sein konnte, zeigte schon meine Anwesenheit hier. Auch dies durfte eigentlich nicht sein und war doch so. Ich beschloss, dass das Universum, das Schicksal oder auch die Geschichte mich mal konnte. Als ich nach zwei Stunden Jonathan weckte, hatte ich mir einen Plan zurecht gelegt, der funktionieren könnte.
6
»Das ist doch sinnlos und außerdem noch viel zu gefährlich«, war Brahes Kommentar, als ich ihm am nächsten Morgen mein Vorhaben erklärt hatte. »Allein hast du hier draußen keine Chance.«
»Ich bin nicht allein«, gab ich ebenso bestimmt zurück. »Ich habe meinen Wagen …«
»Blödsinn«, warf Brahe ein.
»Vergiss nicht, dass ich gut damit zurecht gekommen bin«, brachte ich meine eigene Lügengeschichte wieder ins Spiel.
»Sooo?« Er dehnte das Wort, und es drückte jetzt den ganzen Unglauben an meinen Erzählungen aus, auch wenn er weit davon entfernt war, sich irgendeine andere Begründung für mein Hiersein vorstellen zu können.
»Was soll das bringen?«, stellte sich Perdy auf die Seite des Chefs hier im Camp. Jonathan nickte und Patton wartete ab. Von ihm wusste ich ja, dass er Brahe nicht allzu viel Sympathie entgegen brachte. Wahrscheinlich nicht erst seit seiner Verletzung.
»Für euch ändert sich doch überhaupt nichts«, versuchte ich ihnen klar zu machen. »Wenn ich nicht hier wäre, dann wäre die Lage für euch die gleiche. Was ändert es also, wenn ich mit meinem Wagen losfahre und versuche, Burke zu finden?«
»Nun«, meinte Brahe, »wenn du nicht hier wärest, dann hätten wir nicht die Wilden auf dem Hals. Dein Wagen hat sie ziemlich aufgebracht. Ich weiß nicht, ob die Sache schon ausgestanden ist. Ehrlich gesagt traue ich dem Frieden nicht so recht.« Die anderen drei
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