Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
Tageslicht, um Feuerholz zu sammeln. Das Bier in den Dosen, die ich aus ihrem Versteck holte, war brühwarm, tat aber seine Wirkung.

 
7
     
    Nach einer schrecklichen Nacht, in der ich kaum Schlaf fand und immer wieder auffuhr, mein Gewehr umklammerte und in die Nacht hinausstarrte, brach schließlich der Morgen mit den üblichen Geräuschen der Tierwelt an. Ich ging zum Fluss hinunter, um Wasser zu holen, da ich keinen Tropfen meines Vorrats vergeuden wollte, solange mir noch der Cooper Creek zur Verfügung stand. Das Sonnenlicht glitzerte auf dem Wasser, und es wäre ein wunderschöner Tag gewesen, wenn es ein Tag 140 Jahre in der Zukunft gewesen wäre. Aber das wagte ich schon nicht mehr zu hoffen. Dort, wo ich die Bierdosen vor den ungläubigen Blicken von Brahe und seinen Männern versteckt hatte, befand sich auch ein Glas mit löslichem Kaffee. Ich gönnte mir zwei Tassen und zwang mich, ein paar Scheiben Zwieback dazu zu essen. Mein Hunger hielt sich in Grenzen, und Appetit hatte ich schon gar nicht. Außerdem musste ich mich beeilen, soweit das überhaupt möglich war. Bevor ich losfuhr, nahm ich mir aber die Zeit, den Off-Roader bei Tageslicht noch einmal genau zu überprüfen. Meine Gewaltaktion am gestrigen Tage schien außer ein paar Kratzern und Dellen keine schwerwiegenden Schäden nach sich gezogen zu haben. Ich überprüfte, ob das Windenseil ordentlich aufgerollt war, und untersuchte die Reifen nach etwaigen Beschädigungen. Besser, sie jetzt zu finden, als später mit einem total ruinierten Reifen festzusitzen, zumal ich nur noch über einen Reservereifen verfügte. Dann brach ich auf. Ich folgte in groben Zügen, allerdings auch in großem Abstand, dem nördlichen Ufer des Cooper Creek. Je weiter ich mich vom Fluss entfernt hielt, desto einfacher war das Vorankommen, da kaum noch Vegetation meinen Weg durch die Sturt Stony Desert behinderte. Allerdings wuchs damit auch die Gefahr, Burke zu verpassen, denn der würde sich so nahe am Fluss halten wie möglich. Wenn das, was ich über die Expedition wusste, nicht den Tatsachen entsprach, oder Brahe sich mit seiner Zeitrechnung nur um ein oder zwei Tage vertan hatte, dann war mein Unternehmen zum Scheitern verurteilt. Doch daran wollte ich überhaupt nicht denken.
    Am Abend hatte ich knapp sechzig Kilometer geschafft und nach meiner Zeitrechnung schrieben wir den sechzehnten April 1861. Bis zum Lake Massacre waren es noch ungefähr 40 Kilometer. Gray würde morgen an dem ausgetrockneten Salzsee von seinen Gefährten begraben werden. Es waren die gleichen Sterne, die in dieser Nacht auf mich, Brahe und seine Leute und auf Burke, Wills, Gray und King herabschienen, doch ich hielt die Fäden des Schicksals für alle anderen in der Hand. Ich war auf einmal zum Herrn über Leben und Tod geworden und fühlte mich gar nicht gut dabei. Einen Mann, Gray, hatte ich durch mein Zögern schon zum Tode verurteilt. Wie war es mit den anderen? Vielleicht hielt ich, ohne mir dessen bewusst zu sein, nur die Fäden meines eigenen Schicksals in den Händen. Viele Autoren haben Zeit und Mühe darauf verwendet, zu beweisen, dass eben das, was ich gerade zu tun versuchte, unmöglich war. Habe ich mit meinem Versuch, Burke und seine Gefährten zu retten, mein Todesurteil unterschrieben? Ein Gedanke, der mir hier alleine am Lagerfeuer immer wahrscheinlicher erschien, aber selbst morgen früh war noch genügend Zeit, umzukehren. Wieder ging mir die Frage nach dem Sinn des Ganzen durch den Kopf, doch auch jetzt, wo ich so kurz davor stand, in den Lauf der Geschichte einzugreifen, gab es keine Antwort. Außer der, dass sich spätestens in zwei Tagen herausstellen würde, ob man – ich, oder irgendjemand, der dafür verantwortlich ist – die Geschichte ändern kann, oder ob die Welt, so wie ich sie bis jetzt kannte, nur eine von vielen Wahrscheinlichkeiten ist. Was würde mit dem Weiterleben von Burke und Wills alles untergehen? Was wäre anders? Löschte ich damit vielleicht die Grundlagen meiner eigenen Existenz aus? Änderte sich die Wüste, wenn man ein Sandkorn daraus entfernte? Noch ein Tag, dann hätte ich den ersten Schritt getan.
    Über Nacht waren Wolken aufgezogen. Eine hohe durchgehende Wolkendecke, die aber keinen Regen versprach. Die Wüste lag in einem bleichen, seltsam gedämpften Licht. Ich hatte besser geschlafen als die Nacht davor, dennoch spürte ich die Müdigkeit, aber auch die Anspannung in jeder Faser meines Körpers. Ich brauchte lange, bis ich

Weitere Kostenlose Bücher