Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
dem, der für meine Lage verantwortlich war, eins auszuwischen, war ich nicht bereit, so leicht aufzugeben. Ich wusste ja nicht nur, dass Brahe mit seinen drei Gefährten am einundzwanzigsten April aufbrechen würde, ich wusste auch, dass er mit Wright am achten Mai wieder am Dig Tree sein und dort, so besagte zumindest die noch gültige Geschichtsschreibung, seine für Burke hinterlegte Nachricht unberührt vorfinden würde. Ich beschloss, die Sache auszureizen und bis zum fünften Mai hierzubleiben. Vielleicht auch nur bis zum vierten. Mehr konnte ich wirklich nicht tun. Würde ich Brahe und Wright nicht am Dig Tree treffen, könnte ich mir gleich eine Kugel in den Kopf jagen. Wahrscheinlich stimmte, was der Autor des Artikels auf der Karte vermutete. Burke war erst nach dem achten Mai am Dig Tree eingetroffen und hatte Brahe und Wright verfehlt. Die Frage war nur, um wie viele Tage.
     
    Fünf Tage später hatte ich die ersten Halluzinationen. Keine Fata Morgana im eigentlichen Sinne, obwohl nur ein paar hundert Meter von meinem Wagen entfernt das weiße Salzfeld flimmerte und sich bis zum Horizont hinzuziehen schien. Ich starrte wie gebannt darauf, merkte gar, wie ich minutenlang in die gleißende Helle blickte, aus der heraus mehrere Gestalten auf mich zutaumelten. Ich riss das Gewehr hoch, doch da war nichts. Nichts außer heißer Luft, die zum Himmel stieg und den Anschein von Bewegung erweckte. Ich schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck brühwarmen Wassers. Ich bemühte mich zwar wenig zu verbrauchen, und kochte meine abendliche Reisportion in Benzinwasser, was dem Geschmack nicht förderlich war, doch meine Vorräte waren für vier Tage berechnet gewesen und nun befand ich mich schon seit einer Woche hier draußen. Ich versuchte, mich so wenig wie möglich zu bewegen und hatte mir aus der Plane der Ladefläche einen notdürftigen Sonnenschutz gebaut. Obwohl ich mit dem Feuerholz genauso sparsam wie mit dem Wasser umging, nahm mein Vorrat von beidem bedenklich schnell ab. Und im schlimmsten Fall hatte ich noch knapp zwei Wochen vor mir. Jeden Tag ließ ich den Wagen für ein paar Minuten laufen, um sicher zu gehen, dass der Motor noch ansprang und ich hier auch wieder fortkäme. Immer wieder überprüfte ich die Eintragungen, die ich jeden Morgen in meinem Tagebuch vornahm, damit mir bei meiner Zeitrechnung nicht ein tödlicher Fehler unterlief. Dann setzte ich mich unter mein Sonnensegel, schwitzte vor mich hin und suchte den Horizont mit dem Fernglas ab. In den ersten Tagen schwankte meine Stimmung zwischen Wut und Hoffnungslosigkeit, lähmender Angst in der Dunkelheit, wenn das kleine Feuer immer weiter herunterbrannte, und der Gewissheit, Burke und seine Leute sicher zum Dig Tree zu bringen. Dann hatte sich meine Gemütslage der Landschaft angepasst, war eintönig und uninteressiert geworden, nur manchmal von dem nagenden Zweifel geplagt, die gleißende Fläche vor mir könnte nicht der Lake Massacre sein. Doch wenn dem so war, dann konnte ich nichts daran ändern. Dann hatte irgendjemand, weit außerhalb meines Vorstellungsbereichs, seinen Fehler korrigiert. Ich hatte auch keine Möglichkeit festzustellen, in welcher Zeit ich mich befand. Nur eines war sicher, es war nicht das angehende einundzwanzigste Jahrhundert, denn mein Satellitennavigationsgerät, das ich jeden Tag anstellte, zeigte konsequent wie seit jenem lang vergangenen Tag: No Reception. Ob ich mich allerdings noch im Jahr 1861, wie ich glaubte, oder vielleicht schon ein paar Jahre früher oder später befand, stand in den Sternen, die aber auch keine Antwort gaben. Auch in meiner Zeit war ich schon überfällig. Ich hatte mich bei meinen Freunden in Melbourne das letzte Mal aus Birdsville gemeldet, und wenn der Zeitablauf in der Zukunft und in der Vergangenheit, eine Gegenwart gab es für mich praktisch nicht, in etwa übereinstimmte, dann musste ich seit ungefähr zwei Wochen vermisst sein. Was hatten Graham und Jill inzwischen unternommen? Wurde schon nach mir gesucht? Oder vertrauten sie darauf, dass ich mich noch bei ihnen melden würde? Um die Langeweile zu vertreiben überlegte ich mir, ob ich ihnen eine Botschaft in die Zukunft schicken könnte, wenn ich erst einmal in Melbourne wäre. So wie in dem Film Zurück in die Zukunft. Eher unwahrscheinlich. Genauso unwahrscheinlich wie die Aussicht, Melbourne jemals wiederzusehen und wenn es nur im Jahr 1861 wäre.
    Immer wieder hörte man in Australien von Menschen, die spurlos

Weitere Kostenlose Bücher