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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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verschwunden waren. Handzettel und selbstgemachte Plakate riefen in Kneipen und auf Campingplätzen die Leute auf, sich zu melden, wenn sie den oder die Gesuchte gesehen hätten. Manchmal noch Jahre nach dem Verschwinden. Da wurden Eltern von ihren erwachsenen Kindern gesucht, Männer, die vom Zigarettenholen nicht zurückgekommen, Brüder, die eben nur mal zur Toilette gegangen waren. Immer waren es Erwachsene, nie Kinder. Wahrscheinlich hatten sich die meisten einfach abgesetzt, aber warum? Ich erinnerte mich an ein solches, schon leicht vergilbtes Plakat am Toilettenblock auf dem Campingplatz in Boulia. Gesucht wurde ein älteres Ehepaar. Warum sollten sich diese beiden mit ihrem Campmobil abgesetzt haben? Natürlich konnten sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein, aber dazu waren solche Herrschaften meist zu vorsichtig und nichts aus ihrem Besitz, noch nicht einmal ihr dreißig Fuß Motorhome, ist jemals wieder aufgetaucht. Seit einiger Zeit gehörte auch ich zu diesen Menschen. Würde mein Steckbrief auch an Hauswänden und Toilettentüren, an Pinwänden von Bars und auf Polizeiposten im Outback vergilben? Ich reckte die Faust mit dem ausgestreckten Mittelfinger in die Höhe. Eine Geste unerträglicher Hilflosigkeit.
    An diesem Abend sprach ich mit Jill und Graham. Natürlich nicht wirklich, aber irgendeine Ablenkung brauchte ich nun mal, also übernahm ich in unserer Unterhaltung sämtliche Rollen. Danach fühlte ich mich besser. Wir hatten in Erinnerungen geschwelgt, Nächte, die wir zusammen im Outback, oder in Kneipen an gottverlassenen Orten zugebracht hatten. Uns die idyllischen Camps in den Flinders und in Lakefield wieder ins Gedächtnis gerufen. Das Baden in verschwiegenen Flussläufen, unter Wasserfällen und eine Zeit, in der es, wenn man morgens aufwachte, ein paar Stunden später und nicht über hundert Jahre früher war. Als ich in meinen Swag kroch und einen letzten Blick auf das sich dem Horizont zuneigende Kreuz des Südens warf, wusste ich, was die Wüste und die Einsamkeit mit einem Menschen anrichten konnten.

 
8
     
    Ich fuhr aus dem Schlaf hoch. Die Morgendämmerung versuchte gerade sich gegen die Nacht durchzusetzen, hatte damit aber noch nicht viel Erfolg gehabt. Ich griff nach meinem Gewehr und blickte mich um. Da war es wieder. Ein Geräusch, das absolut nicht hierher gehörte. Hätte ich nicht die Tage in Brahes Camp zugebracht, wäre es mir unmöglich gewesen, es einzuordnen. Es war das Blöken eines Kamels. Sehr schwach, aber bevor ich mir einreden konnte, einer Sinnestäuschung erlegen zu sein, hörte ich es wieder. Es klang über die schimmernde Fläche des Salzsees herüber. Ich wühlte mich aus dem Swag. Auf der Ladefläche des Pickup stehend suchte ich mit dem Fernglas den Horizont ab, doch es war einfach noch zu dunkel. Aber wer anders konnte es sein außer Burke und seinen Gefährten. Wenn es so war, dann kamen sie gerade noch rechtzeitig, denn nach meiner Rechnung brach der Morgen des vierten Mai an. Also hatte ich Recht gehabt. Burke reiste nachts. Ich konnte nichts anderes tun als abwarten, bis das Licht besser wurde. Ich sprang von der Ladefläche und machte Feuer. Es war ziemlich kalt, und ich zog mir die Daunenjacke über. Kurze Zeit später brannte das Feuer, der Wasserkessel stand darauf und im Osten zeigte sich der erste blassrosane Streifen. Inzwischen glaubte ich allerdings, einer Halluzination aufgesessen zu sein, denn seit einer halben Stunde hatte ich kein Geräusch mehr gehört. Ich fieberte dem Sonnenaufgang entgegen.
    Als es endlich soweit war, suchte ich den Horizont mit meinem Fernglas ab. Ich hatte nicht allzu viel Zeit. Wenn die Hitze des Tages die Salzfläche erst wieder in ein waberndes, flimmerndes Hitzemeer verwandelt hätte, dann würde nichts mehr zu erkennen sein. Zuerst huschte ich viel zu unruhig mit dem Feldstecher hin und her. Ich setzte ab, atmete tief durch, steckte mir eine Zigarette an und ging mit mehr Ruhe an die Sache. Aber auch dann sah ich nur die hinlänglich bekannten Konturen einer absolut leeren Landschaft. Ich setzte mich auf meinen Campingstuhl und nahm einen Schluck aus dem Becher mit Kaffee. Hatte die Wüste mich endgültig erwischt? Als Nächstes würde ich wahrscheinlich das Motorengeräusch eines Off-Roaders hören und dann den Flying Doctor Service am Himmel fliegen sehen. Und dann … Ich schüttelte den Kopf. Heute würde ich hier abhauen. Die Geschichte ließ sich nun einmal nicht ändern. Was hätte es für einen

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