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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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hatte ich ihnen einen ausführlichen Bericht über die Situation in Brahes Lager gegeben, dabei leider aus Unachtsamkeit das richtige Datum genannt.
    »Du meinst also, dass wir heute nicht den neunzehnten April haben, sondern den vierten Mai?«, vergewisserte sich King noch einmal.
    Ich nickte, sagte aber nichts weiter dazu.
    »Das ist unmöglich«, erklärte Wills mit einem Seitenblick auf Burke. »Wir haben doch genau Buch geführt«, und er schlug mit der Hand auf das dicke Reisetagebuch, das er wohl zusammen mit Burke geführt hatte.
    Ich zuckte die Achseln. Ich war absolut nicht der richtige Mann, in diesem Datumsstreit eine Entscheidung zu treffen. Für mich war sowieso ein anderes Datum gültig, oder auch nicht mehr, wie ich in Gedanken einräumte: »Ich bin am fünfzehnten April aus Brahes Lager aufgebrochen und war am siebzehnten hier …«
    »Achtzig Meilen in zwei Tagen! Unmöglich!«, widersprach King.
    »Und das auch noch ohne Pferde«, fügte Wills hinzu.
    »Ich habe meinen Wagen«, erklärte ich und machte eine flüchtige Kopfbewegung Richtung Führerhaus. »Aber das erkläre ich euch später. Also am siebzehnten war ich hier, und seitdem warte ich auf euch. Ich habe mich bei meiner Buchführung bestimmt nicht geirrt. Heute ist der vierte Mai und wir müssen am achten am Cooper Creek sein.«
    »Warum?«, wollte Burke wissen.
    Das war wieder eine dieser Fragen, die ich nicht beantworten konnte, oder besser gesagt nicht wahrheitsgemäß beantworten konnte. Also log ich. »Am achten will Brahe endgültig aufbrechen, da Wright nicht mit den Vorräten gekommen ist und Pattons Verletzung unbedingt ordentlich versorgt werden muss.« Ich hoffte, in der zu erwartenden Wiedersehensfreude würden diese kleinen Ungereimtheiten keine Rolle mehr spielen. Dann war der Reis fertig, und die Männer stürzten sich auf die lange entbehrte Nahrung. Für einige Zeit war ich damit den unangenehmen Fragen entronnen und schaute zu, wie sie die unter anderen Umständen bestimmt als ungenießbar eingestufte Pampe hinunterschlangen. Sie fühlten sich inzwischen gerettet, nachdem noch vor ein paar Stunden ihre Aussichten auf einen glücklichen Ausgang ihres Unternehmens, bei aller Zähigkeit, die sie in den letzten fünf Monaten an den Tag gelegt hatten, mehr als gering gewesen waren. Zumindest hatten sie sich wohl sehr viel näher am Cooper Creek geglaubt, als es tatsächlich der Fall war. Diese Haltung und ihre Hoffnung konnte ich nicht so recht teilen. Mich beschlich auf einmal das Gefühl, dass nicht alles, was hier passierte, in meiner Hand lag. Zu viel konnte sich noch ereignen, bevor wir am Dig Tree wären, und wenn wir dort nicht bis zum achten ankämen, hätte ich keinen Tropfen Sprit mehr im Tank, während Brahe und Wright schon über alle Berge waren. Und ich würde das Schicksal von Burke und Wills teilen. Wenn ich Glück hätte, vielleicht das von King und überleben. Gleich morgen früh mussten wir aufbrechen, und dann konnte ich nur noch hoffen.
    Nach einem Tag und einem Abend unzähliger Erklärungen und einer Demonstration meines Wagens, die bei Burke und seinen Gefährten ähnliche Reaktionen wie zuvor bei Brahe ausgelöst hatte, brach dann schließlich der Morgen des fünften Mai 1861 an. Wir ließen alles, was überflüssig war, einschließlich der beiden Kamele am Lagerplatz zurück. Sie würden wahrscheinlich hier verdursten, dachte ich mir, aber vielleicht hatten sie auch Glück. Wir hatten noch knapp dreißig Liter Wasser, bei dem ich den leichten Benzingeschmack schon gar nicht mehr wahrnahm, und ausreichend Reis, um es bis zum Dig Tree zu schaffen. Burke nahm auf dem Beifahrersitz Platz, während King und Wills sich so gut wie möglich auf der Ladefläche einrichteten. Dann startete ich den Diesel und fuhr langsam los. Es dauerte einige Zeit, bis sich Burke, den ich aufmerksam von der Seite beobachtete, an diese Art der Fortbewegung gewöhnt hatte. Manchmal hörte ich von der Ladefläche her einen deftigen Fluch, wenn der Wagen wieder einmal über eine tiefe Bodenwelle geholpert war. Ansonsten herrschte Stille, wenn man angesichts des Dröhnens eines Sechszylinderdieselmotors und dem in den Federn ächzenden Wagen von Stille reden konnte. Da ich das Gelände jetzt kannte und grob meinen eigenen Fahrspuren folgen konnte, kamen wir wesentlich besser voran als auf der Hinfahrt. Als die Sonne nur noch eine Handbreit über dem Horizont stand und wir einen einigermaßen passablen Lagerplatz gefunden hatten,

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