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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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zurück.
    Natürlich begriff Burke nicht. Seine fast zugeschwollenen Augen schauten mich ratlos an.
    »Man nennt mich Doc«, fügte ich hinzu, »zumindest haben mich Brahe und seine Leute so genannt.«
    »Brahe?«, fuhr Burke auf. »Wie weit sind wir noch vom Lager am Cooper Creek entfernt?«
    »Ungefähr achtzig Meilen«, sagte ich, »eher mehr.« Es war nicht Enttäuschung, was sich auf den Gesichtern der drei Männer breit machte, sondern das blanke Entsetzen. Ich weiß nicht, was achtzig Meilen wirklich für sie bedeuteten, aber ich konnte es mir ziemlich gut vorstellen.
    »Achtzig Meilen«, murmelte jetzt einer von Burkes Begleitern. »Genausogut könnten wir eintausend entfernt sein!«
    Burke war bemüht, auch hier in der Wildnis noch Reste zivilisierten Verhaltens zu zeigen. »Ich bin, wie du ja anscheinend weißt, Robert O’Hara Burke, Leiter der Expedition zum Golf von Carpentaria. Das ist mein Stellvertreter William John Wills und das John King, ehemaliger Soldat Ihrer Majestät, Königin Victoria.« Dabei hatte er zuerst auf den einen, dann auf den anderem seiner beiden Gefährten gezeigt. Sie befanden sich in demselben bedauernswerten Zustand wie er selbst. Ich nickte und verbiss mir die Frage nach Gray, denn ich wusste, dass es Auseinandersetzungen über die Aufteilung der Lebensmittel gegeben hatte und Gray wohl vor ein paar Tagen verstorben war.
    »Der vierte Mann«, begann jetzt aber Burke und brachte das Gespräch selbst auf den heiklen Punkt, »Gray, ist leider gestorben. Wir haben ihn vor zwei Tagen am Rande des Salzsees begraben.«
    Wenn meine Informationen stimmten, dann war das nach Burkes Tagebuch der siebzehnte April gewesen, also schrieb man für ihn jetzt den neunzehnten. Nach meiner Rechnung, zumindest der von Brahe, war heute aber der vierte Mai. Damit schien ich mit meiner Einschätzung der tatsächlichen Ereignisse Recht zu haben.
    »Wie kommst du hierher? Hat Brahe dich uns entgegen geschickt?«
    »Ja, ich bin von Brahes Lager aus aufgebrochen, um euch entgegenzu …« Ich vollendete den Satz nicht, denn was sollte ich sagen: reiten, fahren, reisen? »Naja, jedenfalls bin ich jetzt hier.«
    »Hast du Wasser, Vorräte, Nahrungsmittel, Reittiere?« Hoffnung schwang in Kings Stimme mit. Er reichte mir die leergetrunkene Feldflasche.
    »Nicht viel«, antwortete ich, »aber es wird schon reichen, um zum Lager zurückzukommen.«
    »Bist du ganz allein?« Burke schaute mich auf einmal misstrauisch an.
    »Nicht ganz. Ich habe meinen Wagen dabei.« Dabei benutzte ich absichtlich das altmodische Wort, das so viel wie Kutsche bedeutete. Die Reaktion war die erwartete.
    »Du bist … mit einer Kutsche hier?«, meinte Wills und schüttelte ungläubig den Kopf. Auch Burke hielt es für einen Scherz.
    Die Sonne war inzwischen ein ganzes Stück in Richtung Zenit gewandert und brannte wie üblich erbarmungslos herab. Der Schweiß lief mir übers Gesicht, und ich wollte unbedingt so schnell wie möglich unter meinen Sonnenschutz am Auto. Es hatte auch wenig Sinn, hier herumzustehen. »Mein Lager ist dort hinter der Düne. Eine halbe Meile entfernt. Dort habe ich Wasser und auch ausreichend zu essen.«
    Der Gedanke an Wasser und Lebensmittel schien erst einmal alle Fragen nach dem Warum und Wieso meines Hierseins in den Hintergrund zu drängen. Ich drehte mich um und gab Burke und seinen Begleitern zu verstehen, mir zu folgen. Bald darauf hatte ich eine Vorstellung, welchen Strapazen die drei Entdeckungsreisenden wirklich unterworfen gewesen waren. Es hatte über eine halbe Stunde gedauert, die beiden Kamele über den Dünenkamm und zu meinem Lager zu bringen. Immer wieder hatten sich die Tiere aufgebäumt, waren zur Seite ausgebrochen oder waren einfach stehengeblieben. Schläge halfen manchmal, Tritte auch, gutes Zureden überhaupt nicht. Das Blöken hallte mir immer noch in den Ohren, auch als die Packsättel, die so gut wie nichts mehr enthielten, abgeladen waren und die abgemagerten Tiere in weitem Bogen um den Off-Roader herumstreiften. Vielleicht fanden sie in dem niedrigen Gestrüpp tatsächlich etwas Genießbares. Wir hatten uns in dem schmalen Schatten meines Sonnensegels niedergelassen und nachdem Burke, Wills und King ausgiebig getrunken hatten, warteten sie nur noch darauf, dass der Reis in dem Topf über dem Feuer gar war. Die Beantwortung aller Fragen, und deren gab es zahllose, hatte ich auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, wenn sich meine Gäste gestärkt hätten. Anstelle dessen

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