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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Sinn, wenn auch ich starb. Burke, Wills und King war damit auch nicht zu helfen, von Gray ganz zu schweigen. Als kurz darauf das Blöken wieder ertönte, achtete ich nicht mehr darauf. Es war nur in meinem Kopf, beruhigte ich mich, nicht wirklich vorhanden. Doch dann war das Geräusch wieder da, zweimal kurz hintereinander, und es kam aus der Richtung der langgestreckten Düne, die sich fast parallel zum Lake Massacre ein paar hundert Meter links von mir entlangzog. Entweder konnte ich mich endgültig von meinem Verstand verabschieden, oder es war tatsächlich Burke. Er zog nicht am Salzsee entlang, was eigentlich auch sinnvoll war, denn die Hitze direkt neben der Salzfläche war unerträglich, sondern hinter der Düne. Ich nahm mein Gewehr und ging auf die Düne zu. Bis ich den Kamm erklommen hatte, hörte ich noch mehrmals die Tiere – es mussten mehrere sein, mindestens aber zwei – ihre rauen Stimmen erheben.
    Vorsichtig wie in einem schlechten Western schob ich mich auf Knien soweit vor, dass ich über den Kamm blicken konnte. Was ich sah, übertraf meine schlimmsten Befürchtungen. Dass diese drei Männer überhaupt bis hierher durchgehalten hatten, grenzte an ein Wunder. Es waren wandelnde Leichen. Die beiden Kamele waren abgemagert bis auf die Knochen und stolperten, genauso wie ihre menschlichen Leidensgenossen, durch den weichen Sand. Mensch und Tier hatten den Blick auf den Boden gerichtet. Meine Vorsicht war völlig unbegründet gewesen. Sie hätten mich nicht bemerkt, auch wenn ich in voller Größe auf dem Dünenkamm gestanden hätte. Ich selbst hatte inzwischen zwar auch nicht mehr viel mit einem zivilisierten Menschen gemein, aber gemessen an dem Leiden, das ich da vor mir sah, war ich gepflegt wie ein Bräutigam am Hochzeitstag. Ich richtete mich auf.
    »Burke«, hatte ich rufen wollen, doch nur ein heiseres Krächzen kam aus meiner Kehle. Es war noch laut genug, um von den dreien wahrgenommen zu werden. Ihr Köpfe ruckten in meine Richtung. Ich stand ungefähr hundert Meter von ihnen entfernt, die Sonne im Rücken.
    »Burke«, wiederholte ich noch einmal deutlicher, nachdem ich ein paarmal geschluckt und mich geräuspert hatte. »Robert Burke!«
    Immer noch schienen die drei Gestalten und die beiden bedauernswerten Kamele wie aus Stein gehauen. Dann machte einer von ihnen ein paar unsichere Schritte auf mich zu. Ich ging den weichen Sand der Düne hinunter ihm entgegen. Mein Gewehr hielt ich demonstrativ gesenkt. Dann standen wir uns auf zehn Meter gegenüber. Ich ging davon aus, dass ich Burke vor mir hatte. Ich ging davon aus, dass ich überhaupt einen Menschen vor mir hatte, obwohl nichts an der Gestalt auf den ersten Blick daran erinnerte. Die Kleidung war schmutzig und zerrissen, zwischen dem dichten Bart und dem unter dem zerbeulten Hut hervorquellenden Kopfhaar blickten mich ein Paar eingesunkener Augen trübe an. Burke stützte sich auf seinen langen Stock, und seine Kleider waren einmal für einen Menschen gemacht worden, der gut dreißig Pfund mehr gewogen haben musste. Wir musterten uns wortlos. Ich war sprachlos darüber, dass ich tatsächlich auf die vermisste Expedition getroffen war, er wahrscheinlich genauso erstaunt darüber, hier auf einen Weißen zu treffen. Seine Gefährten verharrten bei den Kamelen, die wieder zu blöken begonnen hatten. Dann bewegten sich seine Lippen, doch kein Laut war zu vernehmen. Ich trat auf ihn zu. Als ich direkt vor ihm angelangt war, vernahm ich ein Krächzen, noch unverständlicher als meine Worte, mit denen ich auf mich aufmerksam gemacht hatte. Ich reichte ihm meine Feldflasche. Burke versuchte sie zu öffnen. Er kannte die Technik des Schraubverschlusses offensichtlich nicht. Ich nahm ihm die Flasche aus der Hand und schraubte sie auf. Nachdem er getrunken hatte, winkte er seine Gefährten zu sich. Jetzt verstand ich auch seine Worte.
    »Wer bist du?«
    Damit stellte er die am schwersten zu beantwortende Frage zuerst. Ich hatte nun wirklich genug Zeit gehabt, mir eine passende Erklärung für mein Hiersein und wer ich war auszudenken, doch eine solche gab es nicht. Auch hatte ich mir ein paar gute Begrüßungsformeln für ihn ausgedacht, so wie, ›Robert Burke, nehme ich an.‹ Doch in diesem ersten Moment, in dem es tatsächlich passierte, war alles ziemlich hinfällig. Jetzt war allerdings schon der zweite Moment, und ich musste auf seine Frage antworten.
    »Ich bin die Kavallerie«, gab ich mit einem Lächeln auf meinen aufgeplatzten Lippen

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