Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
paar tausend Jahren erfunden und so haben Sie nicht einmal die Möglichkeit, irgendeinen Gott anzurufen. Insbesondere, da es auch noch keinen Gott gibt, der Ihnen gnädig sein Ohr leihen könnte.
    In ihrem dumpfen, ungeübten Hirn ist nichts als ein diffuses Mischmasch aus Angst vor der Dunkelheit, Angst vor wilden Tieren und Angst vor der Kälte. Und diese immer übermächtiger werdenden Ängste formieren sich zu einem irrationalen, tierischen Schrecken, der Sie plötzlich losrennen und äffisches Gegrunze ausstoßen lässt.«
    Der Erzähler hält kurz inne, nimmt einen Schluck Wasser, blickt im Studio umher und fährt mit seiner Geschichte fort, als er befriedigt sieht, dass alle gebannt an seinen Lippen hängen.
    »Und schließlich, als die leuchtenden Augen der Raubtiere neben den Sternen am Firmament die einzigen Lichtquellen sind, da der Mond noch nicht aufgegangen ist, hetzen Sie voller Panik einen Hügel hinauf und merken in Ihrer wahnsinnigen Furcht nicht, wie es kälter und kälter wird.
    Verkrampft halten Sie Ihr Steinmesser fest und bleiben stehen, um Atem zu schöpfen, als Sie schon ziemlich hoch oben auf einem Bergkamm angelangt sind. Verzweifelt registrieren Sie, dass die Kälte Ihnen keine Chance lässt, jemals wieder zurück an das behagliche Lagerfeuer zu kommen.
    Irgendwo brüllt ein Löwe. Sie seufzen und gehen vorwärts – irgendwohin …
    Die schmale vereiste Felsspalte bemerken Sie erst, als es zu spät ist und Sie Kopf voraus in die Tiefe purzeln. Sie hören sich selbst gellend schreien, und das Letzte, das Sie spüren, ist die eisige Kälte, die noch zunimmt, je weiter Sie in den Spalt hineinrutschen.
    Sie sehen plötzlich den schneebedeckten Boden auf sich zu kommen und – ja, dann sind Sie tot …«
    Der haarige kleine Mann, der die Geschichte erzählt hat, lehnt sich gelassen zurück und schaut in die Runde.
    Alle im Studio Anwesenden haben ihm gelauscht, und er ist zufrieden. Er mag es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.
    »Und Sie erinnern sich noch an all die Details Ihres Lebens vor dem … äh … Unfall?«
    Der Fernsehmoderator stellt all die Fragen, die sein heutiger Stargast zu beantworten gewohnt ist, und dieser macht bei aller anfänglichen Zufriedenheit doch schon bald einen etwas gelangweilten Eindruck. Talkshows sind für ihn zur Routine geworden und bieten ihm nichts wirklich Aufregendes mehr.
    Das Leben als Kuriosität hat eben auch seine Schattenseiten, und Adam, der Neandertaler, der vor dreißigtausend Jahren abgestürzt und eingefroren ist und erst kürzlich gefunden und auf spektakuläre Weise aufgetaut wurde, befindet sich schon wieder auf dem absteigenden Ast seiner Fernsehkarriere.
    Tja … Adam. Wie oft schon durfte er berichten, wie man so in der Steinzeit lebte, wie er das unglaubliche Abenteuer, zu sterben und wieder ins Leben gebracht zu werden, verwunden hat und wie er in der heutigen Zeit zurecht kommt. Zum x-ten Male lässt er seine Anekdoten von Mammutjägern, Clankämpfen und irgendwelchen Neandertalerschicksen vom Stapel, und bevor ich so richtig wütend auf den kleinen Dreckskerl werde, schalte ich den Kasten aus, erhebe mich aus meinem Fernsehsessel und hole mir eine Dose Bier aus der Küche.
    Ich erinnere mich nur zu gut daran, was für eine Sensation das vor ein paar Jahren war, als mein Team es fertigbrachte, einen tiefgefrorenen Neandertaler aufzutauen und ins Leben zurück zu bringen. Und als der Kerl nicht nur überlebte, sondern auch noch bald damit anfing, unsere Sprache zu sprechen und Interviews zu geben, war aus der Sensation fast schon ein Skandal geworden. Denn jetzt hatten wir Mutter Kirche und sämtliche anderen Moral-Vereine gegen uns, die uns vorwarfen, Gott zu spielen und in die Schöpfung einzugreifen.
    Ich als Projektleiter an der Universität Glasgow geriet natürlich am meisten ins Kreuzfeuer der Kritik, und da mein Name Robert Frankenberger ist, hatte ich auch schon bald meinen entsprechenden Spitznamen weg: »MODERNER FRANKENSTEIN TAUT URMENSCHEN AUF! HAT DIE WISSENSCHAFT ALLEN RESPEKT VOR DER SCHÖPFUNG VERLOREN?«, schrieb die liebe SUN über unser Projekt. Schon bald nannten mich sogar meine Kollegen scherzhaft »Frankenstein«. Ich musste gezwungenermaßen mitlachen, aber im Innersten fühlte ich mich tief beleidigt.
    Doch Adam, wie unser Freund aus der Steinzeit irgendwann von irgendwem aus irgendeinem Grund getauft wurde, entschädigte mich zunächst für alles. Mithilfe eines speziellen Lernprogrammes half ich

Weitere Kostenlose Bücher