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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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voraus.
    Säuerlich verzieh ich ihm, beschloss aber, ihn nicht – wie üblich – am nächsten Dienstag zu mir nach Hause einzuladen, flirtete er doch ohnehin nur mit meiner Frau und meiner Tochter gleichzeitig, was mich schon immer geärgert hatte.
    Jedoch suchte er mich am Dienstagvormittag von sich aus auf, um mir mitzuteilen, er lasse sich herzlich bei meinen beiden Augensternen entschuldigen, da er leider nicht zum Essen kommen könne, er fliege nämlich für ein paar Tage auf Einladung einer großen Firma zu einer Vortragsreihe nach London. Wieder hatte ich eine Schlappe erlitten, und langsam aber sicher ahnte ich, dass ich möglicherweise einen Fehler gemacht hatte, Adam wie ein vollwertiges menschliches Wesen, anstatt wie einen etwas höher entwickelten Affen behandelt zu haben. Am Abend war er auch noch im Fernsehen zu bewundern, was meine »Augensterne« unbedingt sehen wollten. Er sprach mit einem Professor der Biologie über Evolution und dies und das, bezeichnete mich als seinen Übervater, der einige Jahre mehr auf den Buckel habe als er, obwohl er selbst ja mehrere tausend Jahre älter sei. Das gebe manchmal psychologische Probleme und der Kulturschock sei für mich (!) oftmals zu groß … für mich! Ich schnaufte und schaltete den Fernseher aus.
    Als Adam wieder zurück war, fragte ich ihn, ob zu seiner Zeit eigentlich schon das Feuer erfunden war und ob es nicht lästig gewesen sei, ständig irgendwelche Zecken und Läuse im Affenpelz zu haben. Er war mir daraufhin aus irgendeinem Grund zwei Wochen lang ziemlich eingeschnappt.
    Damals hatte er noch ein Zimmer im Keller des Instituts, in das er sich zurückzog, wenn ihm unsere Testreihen (die immer weniger wurden) oder der Medienrummel (der immer mehr zunahm) auf die Nerven gingen. Eines Tages schwatzte er einem unserer Assistenten einen ausgedienten Computer plus Monitor ab und stellte ihn in seinen Verhau aus Büchern, Kleidung und Zeitschriften. Plötzlich hatte er keine Zeit mehr für Interviews und Talkshows, und viel zu spät erkannte ich, dass sich hinter Adams knorriger Primatenstirn ein kleines Computergenie verbarg! Er schaffte es nach wenigen Wochen der Zurückgezogenheit in seiner Bude, sich ins Netz der Uni einzuklinken, und wenn er nicht gerade Donkey Kong spielte, pfuschte er sogar in den Forschungsprogrammen herum.
    Wie kann jemand, der eigentlich furchtsam den Mond angrunzen und gegen Säbelzahntiger kämpfen sollte, so gut mit komplizierter Computertechnik umgehen?, fragte ich mich, als ich in meiner aktuellen Datei, in der eine Menge wissenschaftlicher Arbeit steckte, ein Virus entdeckte, das zweifelsohne Adam kreiert und eingespeist hatte: Ein Mini-Mammut, das Laserstrahlen aus seinem Rüssel abschoss, fraß sich in bester Pac Man-Manier durch sämtliche Daten, und ich vermochte nichts zu tun, um es zu stoppen. Ich saß da und sah verzweifelt dem Zerstörungswerk zu. Als das Mammut schließlich fertig war, erschien eine Sprechblase über seinem zottigen Kopf mit den Worten: »Wie fühlt man sich wohl mit einem Haufen Ungeziefer im Pelz, Doktor Frankenstein? Haha-hah!«
    In mir war eine eisige Leere, als ich langsam aufstand und in den Keller zu Adams Zimmer schlich. Vorsichtig öffnete ich die Tür. Ich blickte durch den schmalen Spalt ohne zu atmen und erkannte, dass Adam mich nicht bemerkt hatte. Er saß vor seinem Schirm und spielte friedlich Donkey Kong. Von Zeit zu Zeit warf er dabei einen Blick in ein Buch, das neben ihm lag. Er beherrschte das affenartige Wesen auf dem Monitor souverän und schaffte es gleichzeitig auch noch zu lesen. Versteinert stand ich da und schaute ihm eine Zeit lang zu. Schließlich hatte er keine Lust mehr zu spielen und beendete das Programm, nachdem er einen schwindelerregenden Highscore erreicht hatte. Er wandte sich seinem Buch zu, in das er sich nun vertiefte. Ich sah, dass es sich um Die Welt als Wille und Vorstellung von Arthur Schopenhauer handelte. Leise schloss ich die Tür und ging in mein Arbeitszimmer zurück, wo ich einen Tee mit sehr viel Rum bei meiner Vorzimmerdame bestellte.
    Am nächsten Tag warf ich Adam aus dem Institut raus. Schließlich verdiente er mit seinen Zeitungsinterviews, den Vorträgen, die er hielt, und all dem anderen Medienrummel genug, um sich auf die eigenen krummen Beine zu stellen.
    Er nahm sich ein Appartement in einem Glasgower Vorort und begann gezielt an seiner Karriere als Medienstar zu feilen. Er ließ sich das Fell wieder wachsen und spielte in

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