Auf der Straße nach Oodnadatta
sie. Weil er uns hilft, unsere Wünsche zu erfüllen, unsere Hoffnungen, und weil wir mit ihm zusammen, und nur gemeinsam unseren Weg in die Zukunft durchstehen!
Unsere Liebe, dachte sie, ist ein einziges Wunder!
Aber es ist einfach zu wenig für einen Neubeginn. Für die Geburt einer neuen Menschheit. Für einen ganz neuen Anfang.
Ihr war, als hätte sie die Zauberformel gefunden, hätte sie erraten, in diesem Augenblick der entrückten Lust.
Sie bog den Kopf zurück und sah das Licht an der Wand: Reflexe der Scheinwerfer, der erleuchteten Fassaden, der fernen, flackernden Leuchtreklamen, rot, grün und gelb im gleichmäßigen Takt.
Sie begann wieder zu tanzen. Nach seinem Rhythmus. Nach ihrem Rhythmus: song-of-freedom.
Sie hielt sich fest an ihm, krallte sich an seinen Rücken, spannte sich wie ein Bogen, als die ersten Wellen sie überfluteten, und sie schrie und schrie, in das Tosen hinein, das heraufbrandete von den Straßen, in das Brausen, das wie eine Glocke über dieser Stadt hing und sie nie zur Ruhe kommen lässt, nicht bei Tag, nicht bei Nacht.
Sie rang nach Luft, sog den heißen Dunst dieser Sommernacht in sich hinein, hörte das Geschrei der Kinder unten im Hof, das Geschwatze und Gekeife der Alten, die Musik aus den Radios, den Fernsehern hinter den offenen Fenstern. Die Symphonie der Hunderttausend Hupen, das Jaulen der Streifenwagen, die über die Kreuzungen jagten, das Schrillen der Feuerwehren in den fernen Straßenschluchten.
Da wusste sie, dass morgen wieder ein Tag sein würde wie jeder andere, mit Joggen hinunter zur Amsterdam Avenue, Frühstück bei Cohen’s Delikatessen und mit Tanzen, Tanzen, Tanzen.
Sie würden arbeiten, trainieren, Tag um Tag. Woche um Woche, song-of-freedom.
Und irgendwann, irgendwann würden sie es schaffen!
Copyright © 2001 by Rainer Erler
Pentagramms Film + Verlag
Originalveröffentlichung
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
L. TIMMEL DUCHAMP
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USA
Zu treuen Händen
Kate Abbotsons Privattelefon weckte sie an jenem trüben Februarmorgen etwa zehn Minuten bevor der Wecker klingelte, gerade als sie träumte, dass sich das Luftbefeuchtungssystem in ihrem Vivarium nicht mehr abstellen ließe. »Hier ist Lady Godiva«, sagte eine weibliche Stimme. Schlaftrunken, wie sie war, sah Kate eine Frau auf einem Pferd vor sich, nackt unter ihrem wehenden, knöchellangen Haar. »Sind Sie es, Kate? Ich ruf wegen Mike an.« Mike. Blitzartig kam Kate zu sich. Godiva war es, die Popvideokünstlerin, mit der sich ihr Vater seit etwa zwei Monaten traf. »Ich hab schlechte Nachrichten. Es tut mir so Leid, ehrlich. Also, ich schlief noch, als plötzlich so ein komischer Alarm bei Mikes Telefon losging, ich glaube, es war fünf vor sieben. Ich drehte mich herum, weil ich wissen wollte, warum er den teuflischen Lärm nicht abstellte, und da sah ich, dass er völlig weggetreten war … bewusstlos, meine ich. Er sah furchtbar aus und obwohl sein Herz noch schlug, kam es mir vor, als atmete er nicht mehr. Ich rief sofort den Notarzt an und versuchte es mit Mund-zu-Mund-Beatmung, bis die Sanitäter kamen. Er ist jetzt im Krankenwagen, auf dem Weg zum Cedars-Sinai-Krankenhaus. Ich weiß, ich hätte Sie gleich anrufen sollen, aber ich wusste Ihre Nummer nicht. Dann fiel mir ein, dass Mike eine Kurzwahl für Sie einprogrammiert hatte und so konnte ich Sie erreichen.«
Kate setzte sich auf. Ihre Finger umklammerten den Hörer so fest, dass sie fast einen Krampf bekam. »Vater?« Das Wort kam ihr kaum über die Lippen. »Vater ist …?« Heftiges Zittern überfiel sie. Ihr Kopf war völlig leer, bis auf die lebhaften Bilder, die Godivas Worte erzeugt hatten.
Godiva wiederholte noch einmal alles, dann sagte sie: »Es tut mir Leid, Kate. Wirklich, es tut mir so Leid. Natürlich komme ich ins Krankenhaus, aber da ich keine Verwandte bin, werden sie mich nicht einmal in seine Nähe lassen. Gibt es noch jemanden, den ich benachrichtigen soll?«
»Ich mache mich sofort auf den Weg«, sagte Kate rau. »Ich werde nicht lange brauchen.« Ihre Gedanken richteten sich auf das Nächstliegende. Von SeaTac aus gab es jede Stunde einen Linienflug nach Los Angeles. Oder sollte sie besser ein Flugzeug chartern? »Mein Vater würde sicher wollen, dass sein Anwalt verständigt wird«, sagte sie. »Aber das erledige ich selbst.« Sie merkte, wie sie stammelte und dass es nichts mehr gab, was Godiva ihr noch erzählen konnte. Irgendwie schaffte sie es, Godiva zu danken, ihr zu
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