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Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land

Titel: Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Gaus
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optimistische Einschätzung. 70000 stünden derzeit auf der Warteliste. Die Ur-Ur-Enkel des Antragstellers hätten vielleicht eine Chance.
    Trotzdem nehmen die Fans einen weiten Weg auf sich, um wenigstens in der Nähe des Geschehens zu sein. Eine Gruppe älterer Damen, die inzwischen alle in ihren Sechzigern seien, käme seit 20 Jahren drei- bis viermal im Jahr aus Minnesota hierher, sagt Andrew. Andere Fans reisten sogar aus New Jersey und Iowa an. Er zeigt auf einen dicken Ordner: »Das sind die Stammgäste.« Außerhalb der Saison wohnen in dem Motel vor allem Handlungsreisende und andere kleine Geschäftsleute.
    Die Stammgäste kennen sich untereinander, lebenslange Freundschaften sind hier entstanden. In der hintersten Ecke des Parkplatzes ist von ungelenker Hand eine Blume auf den Asphalt gemalt worden, mit grüner und gelber Ölfarbe. Den Farben der Packers. In der Blume stehen die Buchstaben RIP: »Rest in peace – Ruhe in Frieden.« Andrew zeigt mir die Todesanzeige: Tom Skrovig, 1957 – 2007. Zwei Tage bevor der Fan als Motelgast erwartet wurde, starb er bei einem Autounfall. Zwei Monate ist das her. »Viele Gäste sind damals nach dem Spiel vorzeitig abgereist, um an der Beerdigung in North Dakota teilnehmen zu können«, sagt der Motelmanager.
    Sonst wird nach dem Heimspiel gefeiert. »Egal ob wir gewinnen oder verlieren – eine Party ist angesagt. Notfalls auch im Schneesturm.« Der Parkplatz wird zur Festarena. Die Gäste kochen, bringen einen Grill mit, auch Wärmeöfen. Hunderte von Wohnwagen stehen auf den Parkplätzen vor den Supermärkten gegenüber. »Ich mache da den Kassenwart.« 20 Dollar pro Stellplatz. »Das ist so in Wisconsin. Man wird nicht ausgepresst, nur weil gerade Saison ist.« Allerdings gibt Andrew zu, dass die Zimmer in seinem Motel an den Heimspieltagen etwas teurer sind als sonst. Etwas? Wie viel? Er wiegt den Kopf und will nicht recht heraus mit der Sprache. Muss er ja auch nicht. Man hätte ohnehin keine Chance auf ein Zimmer.
    Die große Zeit der Packers liegt eigentlich lange zurück. Ihre größten Triumphe feierte die Mannschaft etwa zu der Zeit, als John Steinbeck die USA bereiste. Aber jetzt scheinen sie sich gerade wieder aufzurappeln. Wie läuft´s denn so in dieser Saison? Eine schönere Frage hätte man Andrew Schroepfer nicht stellen können. »Oh, wir haben ein sehr gutes Jahr.« Plötzlich strahlen seine Augen. Das lautere Glück.
    Später, bei der Besichtigung des Stadions, fragt der Fremdenführer, ob irgendjemand in der Gruppe selbst Anteile an den Packers besitze. David Debus meldet sich, 74 Jahre alt, ein pensionierter Oberst der Luftwaffe. Wir verabreden uns für ein Gespräch. Und ich bin ganz sicher, jetzt endlich jemanden zu treffen, der den Irakkrieg für eine glänzende Idee hält, Präsident Bush für den größten Staatsmann aller Zeiten und der in der US-Außenpolitik einen Segen für den Rest der Welt sieht. Man kann sich täuschen.
    David Debus ist mit seiner Frau Claudia und seinem jüngeren Bruder Joe Ilg unterwegs, der vor seiner Pensionierung im gehobenen Management verschiedener internationaler Firmen gearbeitet hat. David und Claudia sind seit über 50 Jahren verheiratet. Die vier Kinder sind im ganzen Land verstreut – Kalifornien, Texas, Virginia. In Virginia lebt mittlerweile auch das Ehepaar Debus. Joe ist dagegen nach seiner Pensionierung nach Wisconsin zurückgekehrt. Seine Frau hat sich gerade nach 42 Jahren Ehe von ihm getrennt. Sie möchte unabhängig sein, zu sich selbst finden. Alle drei sprechen voller Respekt und Zuneigung von ihr.
    Sehr weit her ist es übrigens nicht mit dem Engagement von David für die Packers. Er hat ein einziges Mal einen Anteil im Wert von 200 Dollar gekauft: »Aus einem unbestimmten Gefühl der Loyalität heraus.« Die Brüder sind in Wisconsin groß geworden, als Söhne eines Installateurs: »Wir sind aufgewachsen mit den Packers. Wir waren gar nicht mal so große Fans, aber sie waren einfach immer da und gehörten zu unserem Leben.«
    Joe möchte zunächst einmal Genaueres über das wissen, was ich tue und plane. Als ich ihm sage, dass ich auf den Spuren von John Steinbeck unterwegs bin, zitiert er das, was der Dichter über Wisconsin geschrieben hat, fast im Wortlaut: »Das Licht drang so intensiv in die Dinge ein, dass mir war, als könnte ich tief in ihr Inneres sehen; ein solches Licht habe ich sonst nur in Griechenland erlebt.«
    Zunächst ist es ohnehin vor allem Joe, der spricht. David und

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