Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land
Ferngespräche an.« Nein, auch nicht innerhalb der Vereinigten Staaten. Da weiß man wenigstens, woran man ist.
Wenn so viele Leute in den USA Angst vor den Folgen der Globalisierung haben, muss man nicht gleich über die technologische Führungsrolle reden. Es wäre doch schon ein schöner Anfang, würde die Kommunikation mit dem Rest der Welt auch außerhalb von Bürogebäuden ähnlich gut funktionieren wie in Europa. Oder in Asien. Oder in weiten Teilen Afrikas. Vielleicht gibt es ja noch mehr Leute wie mich, die solche Alltagsprobleme auf den Baum treiben. Die nicht in jedem fremden Land sofort ihr Handy umrüsten wollen und die, wenn sie denn die Wahl haben, lieber dort Geschäfte machen wollen, wo ein Telefongespräch mit dem Ausland für einen normalen Vorgang gehalten wird. Weil alles andere nämlich schlechte Laune macht. Mein Handy hat inzwischen keinen Akku mehr – ich habe das Experiment mit dem neuen, unvertrauten Gerät nach wenigen Tagen beendet.
Die Weiterfahrt durch den Südosten von Wisconsin ist zunächst nicht dazu angetan, die Stimmung zu heben. Hier sehen die USA so zersiedelt aus, wie viele Deutsche sich – irrtümlich – das ganze Land vorstellen: Kleinstädte fließen ineinander über, ohne Ortsschilder lässt sich nicht erkennen, wo die eine endet und die nächste anfängt. Einkaufszentren, Schnellrestaurants, Unternehmen mit riesigen Maschinenparks für Landwirtschaft und Baubedarf. Keine Gegend, die man gesehen haben muss.
Wisconsin ist ein Bundesstaat, in dem es von allem etwas gibt: viel Landwirtschaft, aber auch große Industriegebiete und steigenden Tourismus. Die Arbeitslosenrate entspricht ungefähr dem nationalen Landesdurchschnitt von fünf Prozent. Das jährliche Einkommen auch, Platz 25 auf der Rangliste der 50 Bundesstaaten. Mehr als 40 Prozent der Bevölkerung hier haben übrigens deutsche Wurzeln: eine Folge des gezielten Werbens der Regierung von Wisconsin um Einwanderer in der Mitte des 19. Jahrhunderts, also gerade zu der Zeit, in der aus ökonomischen und politischen Gründen besonders viele Deutsche nach Amerika auswanderten.
Berühmt ist Wisconsin für seinen Käse und für eine populäre Football-Mannschaft: die Green Bay Packers aus – ja: aus Green Bay. Mit diesem Club hat es eine besondere Bewandtnis. Die Packers sind die letzte Mannschaft der in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts beliebten Teams der kleinen Städte, und sie gehören im Unterschied zu anderen Vereinen der Nationalliga nicht etwa einem reichen Mäzen oder Großbetrieb, sondern der Bevölkerung. Die wurde in der fast 90-jährigen Geschichte der Packers mehrfach aufgefordert, kleine Anteile zu zeichnen, damit neue Investitionen getätigt werden konnten. Erfolgreich. Die letzte große Anschaffung: eine umfangreiche, teure Renovierung des Stadions 2003, das jetzt fast 73000 Sitzplätze hat.
Football habe Baseball längst den Rang abgelaufen und sei inzwischen deutlich beliebter, ist mir mehrfach erzählt worden. Aber auch eine noch so große Faszination an dieser Sportart kann das Ausmaß der Solidarisierung mit den Packers nicht erklären, deren Ruhmeshalle angeblich jedes Jahr mehr Besucher hat als die nationale Football-Ruhmeshalle in Ohio. Diese nordamerikanische Freude an Ruhmeshallen ist auch etwas, woran ich mich erst gewöhnen muss. Die Aufnahme in die Walhalla bei Regensburg gehört nicht zu den höchsten Zielen der deutschen Prominenz. Ein Bambi ist begehrter.
Was die Begeisterung für die Packers konkret bedeutet, schildert Andrew Schroepfer – schon wieder so ein deutscher Name! Ja, der Urgroßvater kam aus Deutschland –, der ein Motel unmittelbar hinter dem Stadion betreibt. Wenige Tage nachdem die Termine für die acht Heimspiele bekannt gegeben worden sind, ist er für die komplette Saison ausgebucht. Nicht etwa von Besuchern des Stadions. Karten gibt es ohnehin fast nur auf dem Schwarzmarkt oder über Beziehungen, wie später der Fremdenführer der Anlage berichtet. Sie kosten oft bis zu 1200 Dollar. Für ein Spiel. Die Hoffnung auf eine Dauerkarte kann man gleich begraben: Nur 25 neue werden jährlich ausgegeben.
»Dauerkarten werden hier als Familienerbe von Generation zu Generation weitergereicht«, erzählt Andrew. »Ich bin 45 Jahre alt. Wenn ich mich jetzt auf die Warteliste setzen lasse, dann komme ich frühestens dran, wenn ich zu alt bin, um noch ins Stadion gehen zu können.« Der Fremdenführer hält das für eine unangemessen
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