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Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land

Titel: Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Gaus
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eine schlechte Ernte und Viehseuchen zu bedeuten hatten – sehr lange in erster Linie ging: dass niemand hungrig vom Tisch aufstehen musste. Daran hat sich offensichtlich nichts geändert. Die durchschnittlichen Portionen in Landgasthöfen der USA reichen für drei. Das ist allerdings ein schwacher Trost.
    Viele junge Leute in den USA haben andere Sorgen als die Qualität des Essens. Ihnen geht es um das Trinken, genauer: um das Trinken von Alkohol. Die Altersgrenze in diesem Zusammenhang ist zu einem Symbol für die Frage geworden, wie ernst man junge Leute nimmt – und für wie groß man ihre Fähigkeit hält, eigene Entscheidungen verantwortlich zu treffen.
    Der junge Mann, der als einziger Gast außer mir an dieser Bar in Post Falls sitzt, findet die junge Serviererin Rebecca erkennbar ziemlich toll. Er möchte gerne flirten, und er sucht eine Einflugschneise: Das sei doch absurd, dass man im Alter von 18 oder 19 Jahren zwar wählen und auch im Krieg erschossen werden könne, aber erst im Alter von 21 Alkohol trinken dürfe. Rebecca ist 20, das hat sie uns erzählt, und ich sehe ihr Gesicht vereisen. »Mit 18 ist man noch sehr abenteuerlustig und macht eine Menge Unfug«, sagt sie abweisend, aus all der Erfahrung eines langen Reifeprozesses heraus.
    Der Junge, obwohl schon 25 Jahre alt, muss noch eine Menge lernen. Jemandem, der so lange gewartet hat und endlich auf der Zielgeraden ist – in fünf Wochen feiert Rebecca ihren 21. Geburtstag –, sollte man nicht erzählen, dass das Warten überflüssig war. In einer Bar arbeiten darf sie übrigens schon früher und auch Cocktails mixen. Nur trinken darf sie diese Cocktails nicht. Das finde nun ich den Gipfel der Heuchelei. Aber ich werde mich hüten, das zu sagen. Zumal die kühle Temperatur des Gesprächs gerade etwas steigt.
    Rebecca regt sich über den latenten Rassismus gegenüber Indianern auf, ein Thema, dem ich an diesem Tag besonders viel abgewinnen kann. Der junge Mann offenbart sich: Er sei aus Puerto Rico, gewissermaßen, jedenfalls zu einem Viertel. Eine seiner Großmütter stamme von dort. Sie sei nach einigen Jahren des Aufenthalts auf dem Festland der USA in ihre Heimat zurückgegangen. Weil die Vereinigten Staaten einfach nicht Puerto Rico waren. Weil es dort auch sehr schön sei. Und eben ihr Zuhause.
    Ich mag diese Geschichte. Sie bricht mit der verbreiteten Überzeugung, die USA seien die Vorstufe des Paradieses. »Sie kommen aus Deutschland?«, hatte mich eine Kassiererin in einer Tankstelle gefragt. »Oh, Sie müssen ja so glücklich sein, hier zu sein. Sie wollen gewiss nicht mehr zurück, oder?« Doch, eigentlich schon.
    Rebecca mag die Geschichte offenbar auch. Jedenfalls taut sie auf. Und erzählt, dass sie aus dem Süden von Idaho stammt und sich hier im Norden so wohlfühlt, dass sie nie mehr woanders leben will. Der junge Mann sieht das ganz ähnlich. Er arbeitet für eine Firma, die Klimaanlagen herstellt, und er ist aus der Hauptstadt Washington hierhergezogen. Er habe den Verkehr dort nicht mehr ertragen, die Hektik. Hier sei die Luft besser und die Landschaft schön. Hier wolle er bleiben.
    Da ist er nicht der Einzige. Seit 1970 hat sich die Bevölkerungszahl in Idaho verdoppelt. Es ist einer der am schnellsten wachsenden Bundesstaaten der USA. Von wegen nur Kartoffeln. Traditionell haben schon immer Holzindustrie, Papierverarbeitung und Minen für verschiedene Bodenschätze eine Rolle gespielt, aber in den letzten Jahren verzeichnen vor allem die Sektoren Wissenschaft, Technologie und Tourismus eindrucksvolle Wachstumsraten. Noch liegt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf deutlich unter dem nationalen Durchschnitt – Rangplatz 41 aller Bundesstaaten. Die Arbeitslosenrate mit 2,9 Prozent aber auch. Idaho wirkt wie eine Region mit Zukunft.
    Besonders vielversprechend sieht die Lage in Sandpoint aus. Knapp 100 Kilometer südlich von Kanada am Fuße der Selkirk Berge mit ausgedehnten Skigebieten und am Nordufer des großen Sees Pend Oreille gelegen, ist die 6000-Einwohner-Stadt in den letzten Jahren von wohlhabenden Naturliebhabern entdeckt worden. Nicht nur als Ort, an dem man gut Urlaub machen kann, sondern auch als möglicher neuer Lebensmittelpunkt.
    Von Chris und Cecilia Hopper beispielsweise. Noch lebt das Ehepaar mit drei Töchtern in Südkalifornien. Aber da gefällt es ihnen schon lange nicht mehr. Es sei zu teuer, überfüllt, zersiedelt. »Wir mögen die Leute hier«, sagt Cecilia. »Sie haben noch einen Sinn für wahre

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