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Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land

Titel: Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Gaus
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Herstellung dessen ermöglicht hat, was in Landgaststätten der USA als Essen bezeichnet wird.
    Ein Irrtum also. Aber ich weiß nicht, ob die Hersteller des geschmacksfreien Garnichts zu Steinbecks Zeit tatsächlich bereits die ganze Bandbreite ihrer Möglichkeiten ausgeschöpft hatten oder ob er sich einfach nicht hatte vorstellen können, welches Ausmaß an kulinarischer Langeweile in Zukunft noch möglich sein werde. Und welche Formen der Tischkultur schon einige Jahre nach seiner Reise flächendeckend üblich sein würden. Heute deutet es auf ein Lokal gehobener Qualität hin, wenn die Speisen nicht auf einem Plastikteller, sondern auf Keramik und sogar noch mit Metallbesteck serviert werden. Die Bitte um eine zweite Gabel, damit sich der süße Sirup des Pfannkuchens nicht mit dem Käse des Omeletts verbindet, trifft regelmäßig auf Ratlosigkeit. Der Wunsch wird einfach nicht verstanden. Was wiederum mir unbegreiflich ist.
    In den Küstenstaaten kann man auf Fisch oder Meeresfrüchte ausweichen, mancherorts – vor allem in Texas – gibt es gutes Rindfleisch. In den Südstaaten findet man oft wunderbare regionale Gerichte. Die Nachfrage nach frischen Produkten, auch aus biologischem Anbau, wächst und wirkt sich segensreich auf die Gemüsestände mancher Supermärkte und auf das Angebot einiger Delis aus, wie hier ein Imbiss genannt wird, bei dem man Sandwiches kaufen kann. Aber insgesamt ist die ländliche Küche so trostlos, vor allem im Mittleren Westen und in den Binnenstaaten des Westens, dass ich nach einiger Zeit selbst den traditionellen Fast-Food-Ketten einige Vorteile abzugewinnen imstande bin. Immerhin kann man sich dort darauf verlassen, dass das Bratfett nicht ranzig ist.
    Steinbeck nahm von seinem vernichtenden Urteil das Frühstück aus, »das überall gleichbleibend wundervoll ist, wenn man Schinken und Eier und Bratkartoffeln mag«. Wundervoll ist nicht das Wort, das ich wählen würde, seit die Bratkartoffeln nicht mehr frisch sein müssen, sondern meist halb gar aus der Tüte in die Pfanne kommen. Aber ich gebe zu: Das Frühstück ist essbar. Gut essbar sogar. Allerdings denke ich, dass dies nur so lange gilt, bis ein Verfahren entwickelt ist, Spiegeleier verzehrfertig abzupacken. Wenige Tage nachdem mich dieser Verdacht zum ersten Mal beschlichen hat, wird mir ein bereits abgepelltes, eiskaltes hartes Ei serviert. Fest in Plastik eingeschweißt. Ein erster Schritt, so steht zu befürchten.
    Was sagt es über eine Gesellschaft aus, wenn man in den Städten unvergleichlich viel besser essen kann als auf dem Land, wo die Nahrungsmittel doch produziert werden? An kaum einer anderen Stelle seines Buches geht John Steinbeck derart hart mit seinen Landsleuten ins Gericht wie dort, wo er über das Essen schreibt: »Wenn diese Leute ihre Geschmackspapillen so weit haben verkümmern lassen, dass sie geschmackloses Essen nicht nur annehmbar, sondern wünschenswert finden, wie steht es dann mit dem Gefühlsleben der Nation?«
    Es ist verführerisch, einen so dramatischen Zusammenhang herzustellen – und ganz sicher hilft es, Aggressionen abzubauen. Ich glaube trotzdem, dass die Erklärung für das erbärmlich schlechte Essen weniger kompliziert ist. Die inzwischen hochgelobte Bauernküche war im größten Teil der Welt nie so gut, wie romantisierend oft behauptet wird. Ich weiß: Es gibt Ausnahmen. Von welcher Regel gibt es die nicht? Aber ich weiß auch, wovon ich rede. In den meisten fruchtbaren Binnenregionen Afrikas sind die Mahlzeiten, die natürlich aus ganz frischen Produkten hergestellt werden, vollständig einfallslos. Mit Salz gewürzt, und wenn man großes Glück hat, auch noch mit Curry. Wer meint, das sei in Deutschland anders und tiefe Verachtung für die Omnipräsenz des Tomatenketchup in den USA hegt, sei an den Siegeszug des Maggi-Gewürzes in der Küche erinnert, die heute gerne als gute Hausmannskost verklärt wird.
    Verfeinerung des Essens entsteht durch den Kontakt mit anderen Völkern und deren Essgewohnheiten, also durch kulturellen Austausch. So paradox es sich anhört: Die Restaurantketten und das allgegenwärtige Ketchup in den USA sind für mich kein Hinweis auf eine Entfremdung von der bäuerlichen Existenz und den Freuden des Landlebens. Im Gegenteil. Ich halte es auch nicht für einen Zufall, dass man in den USA dort besonders schlecht isst, wo die Entfernungen groß sind und das Land einsam ist. Worum es Bauern und später auch Arbeitern – die allesamt wussten, was

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