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Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land

Titel: Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Gaus
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Ereignis hier für das wichtigste der Region gehalten wird. Verständlicherweise. Noch 1840 lebten im Gebiet des heutigen Kalifornien nur etwa eintausend Europäer. Am 24. Januar 1848 entdeckte der Zimmermann James Marshall, der für den Unternehmer John Sutter eine Sägemühle bauen sollte, Gold im Fluss American. Ende 1849 gab es bereits 90000 Goldsucher in Kalifornien.
    Nur wenige sind reich geworden, und auch Marshall und Sutter brachte der Fund kein Glück. James Marshall wurde bis an sein Lebensende von Goldsuchern verfolgt, die glaubten, er habe magische Kräfte, mit denen er Schätze aufspüren könne. Im Alter von 75 Jahren starb er als verarmter Alkoholiker. John Sutter hatte zunächst vergeblich versucht, den Fund geheim zu halten. Der Deutsche, der nach Betrugsvorwürfen in der schweizerischen Firma seines Vaters aus Europa geflohen war und Frau und Kinder der staatlichen Fürsorge überlassen hatte, wollte in Amerika eine Utopie verwirklichen. Er plante den Aufbau einer Siedlung, die sich vollständig selbst versorgen konnte: Neu-Helvetien.
    Kalifornien gehörte damals noch zu Mexiko. Erst 1848, nach dem Krieg zwischen Mexiko und den USA, gewannen die Vereinigten Staaten die Kontrolle über das Gebiet, und erst 1850 wurde Kalifornien als 31. Staat in die Union aufgenommen. Der Gouverneur von Mexiko stellte Sutter knapp 200 Quadratkilometer Land für Neu-Helvetien zur Verfügung. Als dort Gold gefunden wurde, scheint der Siedler sofort gewusst zu haben, was dies für ihn bedeuten würde: das Ende seiner Träume.
    John Sutter behielt recht. Der Aufbau der Siedlung kam zum Erliegen – alle gruben nach Gold. Zunächst nur mit Messern und Löffeln, später mit Pfannen und Schaufeln. Noch später, als im Fluss nichts mehr zu holen war, wurde in den Bergen mit hydraulischen Geräten gearbeitet. John Sutter verlor alles, was er besaß. Die Goldsucher ergriffen Besitz von seinem Land, schlachteten sein Vieh, stahlen sein Werkzeug. Seine verlassene Frau las in der Zeitung einen Bericht über Goldfunde auf »Sutter´s« und schickte daraufhin zunächst den ältesten Sohn in die USA, später kam sie selbst mit den anderen Kindern nach. Ob diese Wiedervereinigung nach 16 Jahren eine Freude für ihn gewesen ist? Mit dem Sohn hat er sich jedenfalls überworfen. Der hatte als Geschäftsmann eine viel glücklichere Hand als der Vater und hat sich seinen Platz in der Geschichte als Gründer der heutigen kalifornischen Hauptstadt Sacramento erobert. Der alte Sutter neidete dem Jüngeren wohl den Erfolg, der ihm selbst versagt blieb.
    Heute befindet sich auf einem Teil des ehemaligen Sutter-Landes bei Coloma ein kalifornischer State Park mit Museum. Frei übersetzt ist das ein Naherholungsgebiet, das vom Bundesstaat verwaltet und finanziert wird. Dort habe ich ungewöhnliches Glück. Ich treffe einen Ranger. Ein State-Park-Ranger ist nicht etwa der Mann, der die Eintrittskarten abreißt, sondern ein hoch qualifizierter Beamter, im Regelfall ein Akademiker, der Polizeigewalt ausüben darf – und entsprechend ausgebildet ist – und darüber hinaus noch über Spezialkenntnisse verfügt. Mark Michalski hat Umweltplanung und Umweltmanagement studiert.
    Er steht vor einer alten Holzbrücke, die über den Fluss führt, und beantwortet begeistert alle Fragen einer Familie zu dem Ausstellungsgelände. Mit alle Fragen meine ich: alle Fragen. Es wird schon etwas geben, was Mark Michalski über die Geschichte von John Sutter, James Marshall und den Goldrausch nicht weiß – aber weder die Familie noch ich wollen irgendetwas wissen, worüber er nicht ausführlich Auskunft geben könnte. Verständlich und bar jeder Überheblichkeit des Experten. Ich höre zu, lerne und freue mich über den Eifer des Rangers, der ungemein ansteckend ist. Die Familie, die eigentlich nur die Brücke überqueren wollte, kann sich kaum losreißen. »Sie mögen Ihren Beruf, oder?«, frage ich, als sie sich dann doch verabschiedet hat. »Ich liebe ihn«, antwortet er mit Inbrunst. »Was wollen Sie wissen?«
    Als ich ihm mein Anliegen erkläre, lässt die Begeisterung nach. Eigentlich möchte er seinen Namen nicht veröffentlicht sehen, und es wäre ihm auch lieber, wenn ich den State Park, für den er verantwortlich ist, möglichst unkenntlich machte. Er bekomme nämlich große Probleme mit seinen Vorgesetzten und mit der Pressestelle, wenn er mit einer Journalistin redete. Selten – nein: nie! – habe ich mich in den USA so zu Hause gefühlt wie in

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