Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land
die den Ort umgibt. Etwa 4000 Einwohner leben hier. Das Internet liefert im Regelfall noch über den unbedeutendsten Flecken eine Vielzahl von Informationen. Unter der Überschrift »Things to do – Dinge, die man tun kann« wird auch über Mojave behauptet, es gebe viele mögliche Vergnügungen. Dann folgt ein einziger Eintrag: »Sofort weiterfahren!« Das klingt nach einem guten Rat. Selbst die Schnellrestaurants sehen hier noch langweiliger aus als anderswo, und das will etwas heißen.
Am nächsten Morgen ist es vorbei mit der Langeweile. Mitten in der Mojave-Wüste stoße ich endlich auf den Menschen, nach dem ich schon so lange gesucht habe. Ich wusste immer, dass ich ihm eines Tages begegnen würde und nur geduldig sein musste, aber manchmal wollte ich doch beinahe verzagen. Dann jedoch sitzt er da wirklich, an der alten Route 66 als einziger Gast im Bagdad Café – ausgerechnet! – und frühstückt. Ein überwältigendes Gefühl. Er ist es! Mein erster bekennender Bush-Anhänger!
Republikaner habe ich unterwegs viele getroffen, auch Leute, die zugeben, George W. Bush gewählt zu haben. Aber ich musste den halben Kontinent umrunden, bis ich endlich mit jemandem spreche, der das noch immer für die richtige Entscheidung hält. »Herpes ist inzwischen beliebter als Bush«, sagte kürzlich der Kabarettist Dean Obeidallah unter tosendem Beifall seines Publikums.
Der sympathische kalifornische Farmer mit Schnauzbart im Bagdad Café findet hingegen, dass Präsident Bush »die Grenzen sicherer« gemacht habe. Dem brummigen alten Wirt, der ein Wahlplakat für Hillary Clinton ins Fenster gestellt hat, fällt beinahe die Kaffeekanne aus der Hand. Mein Bush-Anhänger heißt Eric Archbick, ist 52 Jahre alt und begeisterungsfähig: »Er hat die Muslime das Fürchten gelehrt.« Der Wirt murmelt, dass man »den« erschießen sollte. Es bleibt offen, wen er meint. Eric: »Jetzt behaupten sie, dass der Irak nicht an den Anschlägen vom 11. September beteiligt war. Das ist Quatsch.« Warum? »Der Irak gehört zum Mittleren Osten. Die mögen uns dort alle nicht.« Wenn das so ist – warum dann beim Irak haltmachen? Warum nicht auch Ägypten bombardieren, beispielsweise? Der Wirt bekommt Spaß an der Unterhaltung. Er grinst. Eric hält den Vorschlag jedoch durchaus für bedenkenswert: »Ja, wenn sie aggressiv werden.«
Über Umweltprobleme redet er übrigens engagiert, nachdenklich, kenntnisreich. »Wenn du 4000 Häuser in der Wüste bauen willst, dann darfst du das. Und woher kommen Strom und Wasser?« Die würden den allgemeinen Ressourcen entnommen. Das gilt allerdings auch für die Farm von Eric Archbick, auf der er Viehfutter anbaut. Aber es ist nachvollziehbar, dass gerade er das weniger problematisch findet als neue Ansiedlungen.
Eric meint, die Vorschriften zum Schutz der Umwelt seien nicht streng genug. Er schüttelt den Kopf, spricht von Dürre. Es falle weniger Regen als früher. Ich frage, wie er denn die Haltung seines Lieblingspräsidenten zu Klimaschutz und globaler Erwärmung findet. Eric wird still, schaut vor sich auf den Tisch. Ganz langsam wird er rot. Die Frage ist ihm peinlich. Das wiederum ist mir peinlich. Ich entschuldige mich, ihn in Verlegenheit gebracht zu haben, und meine das ernst. Er lächelt ein bisschen schief.
Das Bagdad Café hieß früher Sidewinder. Ende der Achtzigerjahre entstand hier der Film Out Of Rosenheim – Bagdad Café mit Marianne Sägebrecht in der Rolle der bayerischen Jasmin Münchgstettner, die sich in der kalifornischen Wüste eine neue Existenz aufbaut. In den USA folgte darauf 1990 auch noch eine Fernsehserie mit dem Titel Bagdad Café . In einer Hauptrolle: Whoopi Goldberg. Natürlich hat das Lokal den werbewirksamen Namen beibehalten, und zusammen mit einem malerisch verrosteten Motel-Schild daneben gibt das Ensemble nette Fotomotive her.
Aber das ist auch schon alles, was nostalgische Touristen locken kann. Ein bisschen wenig, um von der parallel verlaufenden Interstate 40 auf die legendäre Route 66 abzubiegen, die einst die bedeutendste Straßenverbindung der USA zwischen Ost und West war. Vom Mythos der fast 4000 Kilometer langen Strecke zwischen Chicago und Los Angeles ist hier nichts mehr geblieben. Stattdessen: Schlaglöcher. Dann doch lieber wieder zurück auf die Autobahn.
In der gleichgültigen Arroganz gegenüber diesem Denkmal aus Asphalt, das eine große Rolle gespielt hat in der amerikanischen Geschichte, drückt sich für mich eine Haltung aus, die
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