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Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land

Titel: Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Gaus
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Unterhaltung haben, lassen sich nicht erzwingen. Offenbar strahle ich in diesen Tagen aus, dass ich übersättigt bin. Sooft ich auch versuche, mit jemandem zu reden, so intensiv ich auch nach Geschichten am Wegesrand suche: es kommt nichts dabei heraus. Das verbessert die Stimmung nicht, zumal das einem als Journalistin mit einem klaren Rechercheauftrag nicht passiert. Da ist der Rahmen, innerhalb dessen ein Interview geführt wird, eben definiert und abgesteckt. Aber es lässt sich nun mal nicht ändern. Bald bin ich ja in Kalifornien, seit hunderten von Jahren das Ziel so vieler Wünsche und Träume. Da wird bestimmt alles anders, besser, schöner. Und der Schnupfen wird weg sein.
    Zumindest bekomme ich im Norden dieses Bundesstaates wieder eine Gelegenheit, Vorurteile abzubauen. Bedauerlicherweise. Kalifornien ist ganz dicht besiedelt, eigentlich übervölkert? Die USA sind eine fast perfekte Dienstleistungsgesellschaft ohne Ladenschluss? Kommt darauf an. Eine Reifenpanne zwischen tausendjährigen Mammutbäumen in strömendem Regen an einem Samstagvormittag relativiert diesen Blick. Zwar wechseln mir reizende Zeugen Jehovas den Reifen sofort und missionieren mich unterdessen auch nur zurückhaltend, aber das Reserverad ist eines dieser schnuckeligen, kleinen Spielzeuge, die allenfalls für den Weg in die nächste Werkstatt gedacht sind. Also für eine Strecke von etwa fünf Kilometern. Der kaputte Reifen sei »beyond repair« – eine Reparatur an einem solchen Wrack widerspräche kalifornischem Gesetz, wie mich ein Tankwart belehrt. Da kommt Sehnsucht nach Afrika auf. Kaputt? Gibt´s dort nicht.
    Hier schon. Wohin ich auch komme, die Reaktion ist stets dieselbe: »Neue Reifen? Da müssen Sie bis Montag warten. Oder ganz weit fahren.« Was ich tue: 100 Meilen. Meilen. Das sind über 150 Kilometer. Gottlob hat die Geschichte keine Pointe, sondern ich habe irgendwann einen neuen Reifen. Und der Anblick der Mammutbäume ist ja jede Unannehmlichkeit wert.
    »Hat man die Redwoods einmal gesehen, hinterlassen sie einen Eindruck oder erzeugen eine Vision, die man nie wieder los wird«, schrieb Steinbeck. »Niemand hat einen Mammutbaum jemals überzeugend gemalt oder fotografiert. Das Gefühl, das sie hervorrufen, ist nicht übertragbar. Sie gebieten Stille und heilige Scheu.« Botschafter aus einer anderen Zeit seien sie, lebende Wesen, die »vielleicht Gefühle und irgendwo tief innen auch eine Wahrnehmung« hätten. »Der eitelste, oberflächlichste und respektloseste Mensch fällt in Gegenwart von Redwoods unter einen Bann des Staunens und der Ehrfurcht.«
    Der eindrucksvollste dieser Riesen ist 1500 Jahre alt, fast sieben Meter dick und knapp einhundert Meter hoch. Neben ihm wird John Steinbeck auf einer Tafel zitiert – das hätte ihn bestimmt gefreut. Weniger gefreut hätte er sich vermutlich über einige Männer, die ihre Ehrfurcht, die er unterstellt, mit viel Bier und lautem Gegröle erfolgreich überspielen. Im späten 19. Jahrhundert wollte übrigens jemand den Baum fällen, um aus dem Stamm einen Tanzboden zu machen. Offenbar gibt es überhaupt keine Idee, die so blöd ist, dass nicht irgendjemand darauf käme. Eine frühe Bürgerinitiative hat diesen Frevel verhindert. Es ist beruhigend, dass es meistens auch Leute gibt, die sich derartigen Ideen widersetzen. Gelegentlich sogar erfolgreich.
    Steinbeck ist an der Küste weitergefahren, aber auf dieser Strecke will ich ihm nicht folgen. Ich möchte noch ein wenig vom Landesinneren sehen, bevor ich wieder an den Pazifik zurückkehre, und so übernachte ich in Grass Valley. Die Kleinstadt liegt an der alten Straße 49, die nach dem Jahr des Goldrauschs – 1849 – benannt ist und ins Gebiet der Goldgräber führt. Aber an diesem Sonntag interessiere ich mich zunächst mehr für spirituelle als für weltliche Schätze und begebe mich ins Christian Life Center, in eine riesige Kirche der Pfingstbewegung. Das ist eine Strömung des Christentums, die in den letzten Jahren durch intensive Missionsarbeit weltweit Millionen neuer Anhänger gewonnen hat.
    Innerhalb der Bewegung gibt es unterschiedliche Richtungen. Gemeinsam ist allen, dass sie dem Heiligen Geist eine besondere Bedeutung beimessen. Die Erfahrung seiner Ausgießung führt dazu, dass Gläubige in fremden Zungen – nicht in einer Fremdsprache, sondern in Lauten – sprechen. Politisch ist die Pfingstbewegung, jedenfalls in den USA, rechtskonservativ.
    Der Gottesdienst im Christian Life Center wird erst

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