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Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land

Titel: Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Gaus
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diesem Augenblick. Diese Sorge kenne ich gut. Von ungezählten Beamten in deutschen Ministerien und anderen Behörden.
    Mark Michalski ist ein mutiger Mann und ein realistischer dazu. Er kommt zu der Erkenntnis, dass ihm ein in Deutschland veröffentlichtes Buch wohl kaum schaden kann – und er findet zugleich die bestehenden Probleme so schwerwiegend, dass er dafür auch bereit ist, ein gewisses persönliches Risiko einzugehen. In Kalifornien gibt es nämlich inzwischen mehr State Parks als Ranger. Genauer: Es gibt 278 State Parks und 250 Ranger.
    Die State Parks in Kalifornien sind unterfinanziert – grotesk unterfinanziert. Allein für die Reparatur bereits bestehender Mängel fehlen derzeit rund 900 Millionen Dollar. Wenn nicht schnell Abhilfe geschaffen wird, dann wird sich diese Summe in den nächsten Jahren vervielfachen. »Es ist nicht toll, wenn es vier Jahre lang durchs Dach des Museums regnet und man das Leck nur mühsam mit Planen abdecken kann«, sagt der Ranger. »Vor allem dann nicht, wenn man unschätzbar wertvolle und unersetzliche historische Gegenstände hat.«
    Etwa ein Drittel aller Planstellen für die State Parks sind unbesetzt. Die Bezahlung hat nicht Schritt gehalten mit der Gehaltsentwicklung anderer Polizisten. Um dennoch Bewerber zu finden, sind die Ansprüche an die Qualifikation in den letzten Jahren deutlich gesenkt worden. Weil es nicht genügend Ranger gibt, werden regelmäßig wertvolle Funde von Ausgrabungsstellen gestohlen.
    Kalifornien ist noch immer der am schnellsten wachsende Staat der USA. 1960 gab es hier 15 Millionen Einwohner, heute sind es über 37 Millionen. Dafür reichen die Wasservorräte nicht aus. Der Versuch, die Energieversorgung durch Deregulierung zu sichern, bewirkte das Gegenteil: steigende Preise und dramatische Engpässe. Als Einzelstaat wäre Kalifornien weltweit die achtgrößte Wirtschaftsmacht – aber das Haushaltsdefizit ist von 14,5 Milliarden auf 16 Milliarden Dollar angeschwollen. Wo anfangen? Ausgerechnet bei den Naherholungsgebieten? Es ist verständlich, wenn die Regierung andere Prioritäten setzt. Zugleich aber bedeutet das: Die Lebensqualität sinkt. Also das, wofür Kalifornien berühmt ist.
    »Die Städte dehnen sich immer mehr aus, wir verlieren offene, unbebaute Flächen«, sagt Mark Michalski. In den Sechzigerjahren hätte das die Bevölkerung noch aufgeschreckt, damals sei die Umweltbewegung jung und stark gewesen. Heute? Liege sie am Boden. »Parks wie dieser hier werden zu Inseln. Zu winzigen Inseln.« Wenn er die Zeit findet, mit Besuchern zu reden, dann macht dem Ranger der Beruf noch immer Spaß, den er seit 30 Jahren ausübt. Aber der größte Teil seiner Arbeit besteht in der Verwaltung. Der Verwaltung des Mangels.
    »Ich denke in letzter Zeit immer häufiger darüber nach, zu kündigen«, sagt der 53-Jährige. »Aber bis zur Pensionierung werde ich schon noch durchhalten.« Und dann? Wird es überhaupt einen Nachfolger für ihn geben? Im Januar 2008 hat Gouverneur Arnold Schwarzenegger den Entwurf für das neue Haushaltsjahr vorgelegt. Er sieht die Schließung von 48 State Parks vor, um Kosten zu senken. Nicht einmal zehn Millionen Dollar können damit eingespart werden. Das lässt keinen Zweifel mehr daran zu, welchen Stellenwert die Regierung den Naherholungsgebieten und dem historischen Erbe einräumt. Jeder Staat braucht engagierte Beamte. Aber jeder Staat kann selbst dem engagiertesten Beamten die Liebe zum Beruf austreiben. Kalifornien scheint da auf gutem Wege zu sein.
    Von der schmalen, kurvigen Straße 49, die durch eine freundliche Gebirgslandschaft mit dichten Wäldern führt, fahre ich in Richtung Südwesten, vorbei an schroffen, kahlen Bergen und kargen Ebenen, und erreiche schließlich Salinas, den Geburtsort von John Steinbeck. Hier und im wenige Kilometer entfernten Küstenort Monterey ist er aufgewachsen, hier ist seinem Leben und seinem Werk ein Museum gewidmet. Hier steht: Rosinante.
    Kein Nachbau, sondern der originale Kleinlaster mit Campingaufbau, in dem der Dichter die Vereinigten Staaten umrundet hat. Rosinante ist grün! Flaschengrün! Nicht cremefarben, wovon ich stets überzeugt war, warum auch immer. Und sie heißt gar nicht Rosinante, wie in der deutschen Übersetzung des Buches. Sondern »Rocinante«. Steht auf dem Auto.
    Plötzlich merke ich, dass mir Tränen in die Augen steigen. Es gibt Künstler und Geistesgrößen, die ich mag oder sogar verehre. Andere verabscheue ich. Wieder andere, viele

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