Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)
vor?«
»Die Stadt ist das Portal zum mittleren Ostafrika, William.Wer Kazeh kontrolliert, beherrscht die gesamte Region vom Tanganjikasee bis Sansibar und bis hinauf zu den Mondbergen. Wahrscheinlich haben sie vor, die Araber zu vertreiben und aus dem Ort eine preußische Operationsbasis zu machen.«
Burton befahl Saíd bin Sálim, die Träger ihre Lasten aufladen zu lassen. Mirambo tauchte leise neben ihm auf und fragte: »Ist der kommende Tag jener, an dem wir kämpfen?«
»Ja. Ich bitte dich, deine Krieger darauf vorzubereiten.«
»Wir sind immer vorbereitet, Muzungo mbáyá . Das ist ratsam, wenn Teufel wie du durch das Land streifen.«
Damit stapfte der Afrikaner davon.
Krishnamurthy, Spencer, Isabella Mayson, Schwester Raghavendra und Sidi Bombay scharten sich um den Agenten des Königs. Er beschrieb ihnen die Szene, die er bezeugt hatte.
Krishnamurthy fragte: »Können wir aus Westen in die Stadt?«
»Ja«, antwortete Burton. »Wenn wir den Hügeln nach Süden folgen, auf dieser Seite bleiben und sie dann überqueren …«
»Nein. Wir können nicht in die Stadt«, fiel Isabel ihm ins Wort.
Alle blickten sie überrascht an.
»Das käme Selbstmord gleich. Ich habe einhundertzwanzig Kämpferinnen, und ungefähr weitere neunzig sind unterwegs. Mirambo hat zweihundert Leute. Die Preußen sind uns jetzt schon zahlenmäßig klar überlegen, und weitere tausend von ihnen nähern sich rasch. Falls wir in der Stadt sind, wenn sie eintreffen, sitzen wir zwischen ihnen fest und kommen wahrscheinlich nie mehr hinaus.«
Burton nickte nachdenklich. »Du bist die Expertin für Guerillataktik«, sagte er, »und ich beuge mich deinem Wissen. Was schlägst du vor?«
Isabel stellte sich vor ihn und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Der König hat dich zu seinem Agenten gemacht, Dick, und du hast deine Befehle. Wie weit ist es von hier zu den Mondbergen?«
»Knapp zweihundert Meilen.«
»Dann geh. Vergiss das Aufstocken der Vorräte in der Stadt. Nimm dir mit deinen Leuten je zwei Pferde und nur das Notwendigste an Vorräten. Keine Träger. Nichts, was ihr nicht selbst befördern könnt. Reist, so schnell ihr könnt. Denk daran, es ist ein Wettrennen. Ich bin sicher, dass John Speke bereits unterwegs ist.«
»Und du?«, fragte Burton.
»Mirambo und ich führen unsere Streitkräfte gegen die Preußen ins Feld.«
Trounce warf ein: »Aber warum, Isabel? Wenn wir die Stadt umgehen, warum willst du dann überhaupt im Kampf dein Leben aufs Spiel setzen?«
Isabel trat zurück und zog sich die Kufiya vom Kopf. Die Mondsichel war gerade über den Horizont gestiegen, ihr fahles Licht fiel auf Isabels langes blondes Haar.
»Ungeachtet dieser Gewänder bin ich Britin, William. Wenn das, was wir in Mzizima gesehen haben, und das, was wir hier in Kazeh erleben, der Beginn des Zusammenpralls zweier Weltreiche ist, dann ist es meine Pflicht, mich auf die Seite derer zu stellen, zu denen ich gehöre. Abgesehen davon – wenn wir die Preußen hier nicht in Kämpfe verwickeln, werden sie bald Außenposten bis zu den Mondbergen errichten. Dann wird es fast unmöglich für euch sein, dort hinzukommen.«
Längere Zeit sprach niemand. Schließlich räusperte sich Isabella Mayson. »Richard«, sagte sie, »wenn du nichts dagegen hast, würde ich gerne bleiben und mich den Töchtern der Al-Manat anschließen.«
»Ich auch«, erklärte Schwester Raghavendra. »Außerdem kommst du mit einer kleineren Gruppe wahrscheinlich schneller voran.«
Der Entdecker ließ den Blick von einer Frau zur anderen wandern, dann schaute er an Isabel vorbei zu Swinburne. Trotz des trüben Lichts konnte der Dichter in Burtons Augen Verzweiflung erkennen.
»Ich fürchte, Isabel hat recht«, tat Swinburne seine Meinung kund. »Wir dürfen nicht zulassen, dass Speke das Nāga-Auge vor uns erreicht. Ebenso wenig dürfen wir Kazeh in die Hände der Preußen fallen lassen. Die einzige Möglichkeit besteht darin, die Expedition zu teilen.«
Burton legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die Sterne. Dann schloss er die Augen und sagte: »Und du, William?«
Trounce trat vor und sagte mit leiser Stimme: »Soll ich davonlaufen und Frauen das Kämpfen überlassen?«
Isabella Mayson fuhr zu ihm herum. »Mein lieber Freund! Dass ich ein Buch übers Kochen und über Hauswirtschaft geschrieben habe, bedeutet noch lange nicht, dass ich einem Mann keine Kugel in den Kopf jagen kann! Hast du das hier vergessen?« Sie zog ihr Haar zurück, um die
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