Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)
– zu zahlreich, um von allen zu berichten, Richard. Aber letztlich habe ich es wie alle anderen nach Tabora geschafft. Praktisch jeder freie Brite in Afrika – vielleicht auf der ganzen Welt – hält sich mittlerweile dort auf.«
»Bismillah!«, fluchte Burton und packte seinen Freund am Arm. »Gelobt sei Allah, dass ihr mich jetzt gerettet habt und nicht zwei Minuten früher!«
»Wie meinst du das?«
»Beantworte mir zuerst eine Frage: Wie habt ihr meine Entführer auf eine so große Entfernung hinweg mit solcher Zielsicherheit erschossen? So etwas habe ich noch nie gesehen!«
»Präzisionsschützen mit dem neuen Lee-Enfield-Scharfschützengewehr. Eine bemerkenswerte Waffe. Das beste Weitschussgewehr, das je gebaut worden ist.«
»Und diese Präzisionsschützen – konnten sie die Männer erkennen, auf die sie geschossen haben?«
»Als Deutsche? Natürlich! Die Uniform ist unverwechselbar.«
Sie durchquerten einen Raum, dessen Wände von Gewehrständern gesäumt wurden, und bogen um eine Ecke in einen Gang, durch den sich zahlreiche Männer bewegten.
»Ihr hättet die Leichen untersuchen sollen, Bertie, statt sie einfach zurückzulassen.«
»Wieso?«
»Weil einer davon Generalmajor Paul Emil von Lettow-Vorbeck war.«
Jäh blieb Wells stehen, mit geweiteten Augen und aufgerissenem Mund. Auch seine drei Gefährten hielten inne, wichen jedoch instinktiv ein paar Schritte zurück, wodurch sie ein typisch britisches Gespür dafür bewiesen, dass Wells und Burton ungestört sein wollten. Ungeachtet dessen wirkten auch sie verblüfft, da sie die Enthüllung gehört hatten.
»W-was?«, stammelte Wells. »Wir haben gerade Lettow-Vorbeck getötet? Getötet? Bist du sicher?«
»Er hielt mir eine Pistole an den Kopf, als eine Kugel sein Herz durchschlug.«
Wells klatschte eine Faust in die Handfläche und stieß ein triumphierendes Jauchzen aus. »Hol mich der Teufel! Das könnte alles ändern!«
»Nein, Bertie, dafür ist es zu spät.«
»Zu spät? Was meinst du damit?«
Leise erwiderte Burton: »In achtundvierzig Stunden wirft ein deutsches Flugschiff eine Bombe auf Tabora ab.«
»Das ist nichts Neues. Die Pflanzen fliegen darüber, und wir schießen sie ab.«
»Dieses fliegende Schiff wird sich in großer Höhe bewegen, und es trägt eine A-Bombe.«
»Eine was?«
Im Flüsterton klärte Burton seinen Freund auf, dessen von Brandnarben gezeichnetes und von der Sonne gebräuntes Gesicht aschfahl wurde. Er schaute nach rechts und links, bedeutete den drei Wachen, dass sie warten sollten, und zog Burton mit sich zurück in den Waffenraum. Dort sagte er leise und eindringlich: »Wir müssen es Aitken sagen. Aber verrate nicht zu viel über dich selbst. Behalte auf jeden Fall deine wahre Identität für dich. Die Lage ist kompliziert, und im Augenblick ist keine Zeit, um dir alles zu erklären. Belassen wir es vorerst dabei, dass deine … deine unmögliche Anwesenheit in Afrika entdeckt worden ist. Colonel Crowley höchstpersönlich hat uns entsandt, um dich zu retten …«
»Dein sogenannter Größter aller Zauberer?«
»Ja. Anscheinend weiß er schon seit 1914 von einer Anomalie auf dem Kontinent und versucht seither, sie aufzuspüren. Schließlich ist es ihm gelungen, besagte Anomalie auf das Stammlager in Ugogi zu begrenzen. Dann hat er dich angepeilt, als du transportiert worden bist. Er hat die Britannia losgeschickt, um das Fahrzeug abzufangen und dich zu holen.«
»Aber er weiß nicht, wer ich bin?«
Einer der Soldaten erschien an der Tür, räusperte sich und legte mit einer ruckartigen Kopfbewegung nahe, dass sie weitergehen sollten. Wells nickte knapp. Er führte Burton zurück auf den Gang. Dann folgten sie dem Soldaten in ein paar Schritten Abstand. Schließlich gelangten sie zu einer Treppe und stiegen sie hinauf.
»Crowley weiß nur, dass du nicht ins Jahr 1918 gehörst«, flüsterte Wells. »Ich glaube, er hofft, durch dich die Geheimnisse des Zeitreisens zu entschlüsseln.«
»Lettow-Vorbeck hatte dieselbe Idee.«
»Hör zu, das ist wichtig. Mein alter Redakteur, der Mann, der die Tabora Times herausgegeben hat, bevor die Zeitung dichtgemacht wurde, muss dich treffen. Ich kenne nicht die ganze Geschichte, aber es werden Fäden gezogen, und wir dürfen nicht zulassen, dass du unter den Bann des Zauberers gerätst.«
»Was soll das heißen?«
»Crowley ist ein unvorstellbar mächtiger Hypnotiseur. Wenn seine dämonischen Augen dich erst durchbohrt haben, hast du
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