Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)
sich dort schwerfällig voranschleppte. Noch bevor er einen klaren Blick darauf erhaschte, ließen ihn die schattigen Umrisse schaudern. Dann stolperte das Ungetüm in einen Bereich silbriger Helligkeit. Burton sah, dass es sich um eine riesige Pflanze handelte, die sich auf dicken weißen Wurzeln fortbewegte. Zu seinem Erstaunen saß darin ein Mann, eingehüllt in eine fleischige Blüte, umgeben von fuchtelnden Ranken. Er schien die Pflanze allein durch Gedanken zu steuern, denn in seine Kopfhaut mündeten gewundene, drahtartige Fortsätze. Als er den Kopf drehte, schwenkte das groteske Fahrzeug in die Richtung, in die er schaute.
»Da sind noch andere«, sagte Trounce. »Sie patrouillieren entlang des Randes.«
Wenige Minuten später wurde augenscheinlich, weshalb.
Eine der Pflanzen hechtete plötzlich vorwärts und schnappte nach etwas. Ein gellend schreiender Mann wurde aus dem Gestrüpp gezerrt und in die Luft gehoben. Es war ein Wamrima,der offenkundig fliehen wollte und nun den Preis dafür bezahlte. Um seine Handgelenke geschlungene Ranken hielten ihn hoch, während er von den mit Dornen überkrusteten Gliedmaßen der Pflanze gnadenlos ausgepeitscht wurde, bis Blut von seinem nackten Rücken strömte. Dann wurde er zurück ins Lager geschleudert. Er segelte hoch durch die Luft, überschlug sich mehrmals und landete schlaff und blutüberströmt zwischen den Zelten, wo er besinnungslos liegen blieb.
»Das verkompliziert die Sache«, sagte Burton.
»Sollen wir es abblasen?«
»Nein. Wir brauchen die Vorräte, wenn wir Speke einholen wollen. Er hat zwar einen gewaltigen Vorsprung, aber wenn uns sämtliche Mittel zur Verfügung stehen, können wir es schaffen, zumal gewisse Umstände ihn aufhalten werden.«
»Was für Umstände?«
»Hauptsächlich die Hürden, die ihm die Eingeborenen in den Weg werfen werden. Ich baue auf seine Inkompetenz als Expeditionsleiter, auf seine Unfähigkeit, sich in einer anderen Sprache als Englisch zu verständigen, und auf den Umstand, dass er glaubt, wir wären mit der Orpheus in die Luft gesprengt worden. Er hat keine Ahnung, dass wir ihm auf den Fersen sind.«
Fünfzehn Minuten später schwebte Pox vom Himmel und landete auf Burtons Schulter.
»Nachricht von Isabel Arundell!«, verkündete der Sittich.
»Pssst!«, zischte Burton, doch der Vogel verstand ihn nicht.
»In Position, du traniger Trottel. Warten auf Zeichen. Ende der Nachricht.«
»Der Wächter neben dem Weberknecht schaut in unsere Richtung«, murmelte Trounce.
»Nachricht an Isabel Arundell«, flüsterte Burton. »Betrachte das Zeichen als erteilt. Vorsicht. Eugenikerpflanzen sind unterwegs. Ende der Nachricht.«
Pox gab ein Krächzen von sich und flog davon.
»Alles in Ordnung«, verkündete Trounce. »Der Posten hat bloßPox gesehen. Wahrscheinlich hält er ihn für irgendeinen Dschungelvogel. Der Mann widmet sich wieder seiner Pfeife.«
»Trotzdem sollten wir uns um ihn kümmern«, meinte Burton und zog sein Stachelgeschütz, stützte die Kaktuspistole auf den linken Unterarm, zielte sorgfältig und drückte behutsam auf die Knolle, die als Abzug diente. Mit einem leisen Pft! feuerte die Waffe.
Sieben Stacheln schlugen in die Brust des Wächters ein. Er starrte darauf und murmelte: »Was ist das?« Dann sank er zu Boden.
»Leise jetzt«, zischte Burton. »Zu den äußeren Zelten. Geduckt bleiben.«
Die beiden Männer huschten über die Kuppe der Anhöhe, rutschten beinah lautlos zum Rand des Lagers hinunter, kauerten sich in den Schatten eines Zeltes und warteten.
Als es geschah, erfolgte es derart unverhofft, dass sogar Burton und Trounce, die damit rechneten, überrascht wurden. Im einen Moment waren nur die Geräusche der in den Zelten schlafenden Männer zu vernehmen, im nächsten Augenblick zerrissen Gewehrschüsse, das Getrampel von Pferdehufen und das an- und abschwellende Heulen zorniger Frauen die Nacht.
Die Töchter der Al-Manat kamen über die Kuppe des Hügels am nordwestlichen Rand des Lagers geprescht. Ehe die Wächter Alarm schlagen konnten, waren sie über Zelte hinweggestampft, hatten drei der Baracken in Brand gesteckt, wendeten ihre Pferde und rasten wieder den Hügel hinauf und außer Sicht.
Der unerwartete Überfall ließ die preußischen Wachen in solche Panik verfallen, dass sie kaum einen Schuss abgaben.
»Wir werden angegriffen!«, brüllten sie. »Verteidigt das Lager!«
Männer stolperten aus den teils brennenden Gebäuden und den Zelten hervor, rieben sich die
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