Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
Projekte in der Astronomie gehen dementsprechend allein auf die Vorstellungskraft oder eine Idee zurück. Dies birgt ein gewisses Risiko, aber nur so kann neues Wissen gewonnen werden; oft sogar dann, wenn das eigentliche Projekt nicht die vorhergesehene Antwort ergab. Es gibt aber auch viele Studien, die einen etwas sichereren Weg einschlagen. Auch so werden wichtige wissenschaftliche Ergebnisse geliefert, die wiederum fruchtbaren Boden für weitere Projekte und Ideen bereitstellen. Beispiele solcher Projekte sind z.B. Untersuchungen verschiedener Einflüsse der Umgebung auf die Entwicklung von kosmischen Objekten oder Objektgruppen. Solche Untersuchungen garantieren also mehr oder weniger, dass ein solides Endergebnis erlangt wird. Wenn es aber um die Entdeckungen neuer, seltener Objekte geht, gibt es nicht wirklich eine Garantie für Erfolg oder zumindest nur insofern, als dass zwar neue Objekte gefunden werden, solche aber nicht besonders spektakulär sein könnten. Aus diesem Grund beinhaltete der Plan meiner Doktorarbeit auch noch ein anderes Projekt mit schon vorhandenen Daten. Somit sollte sichergestellt werden, dass ich in jedem Fall ein wissenschaftlich signifikantes Ergebnis erzielen würde. Aber meine Hauptaufgabe war das Suchen und Finden von metallarmen Sternen.
Die Vorselektierung der metallarmen Kandidaten war von meinem deutschen Kollegen mit Hilfe von Computerprogrammen als Teil der Bearbeitung der ganzen Hamburg/ESO-Durchmusterung schon vorgenommen worden. In meinem Eifer fing ich sofort hochmotiviert an, mich mit den niedrig aufgelösten Spektren der Hamburg/ESO-Durchmusterung zu beschäftigen. Die Aussicht, alte Sterne aus dem frühen Universum zu finden, war äußerst spannend für mich. Die erste große Aufgabe bestand darin, jedes einzelne Spektrum in der vorselektierten Stichprobe von ca. 5500 Objekten am Bildschirm zu begutachten. Ziel war es, alle Objekte in verschiedene Klassen einzuteilen. Diese Aufgabe war ziemlich dröge, aber mein Enthusiasmus war unerschütterlich. Das war auch gut so, denn die gesamte Inspektion dauerte insgesamt lange zwei Wochen.
Meine Stichprobe setzte sich aus den Spektren von besonders hellen Sternen zusammen. Aufgrund ihrer großen Helligkeiten hatten viele Objekte die damals noch benutzten fotografischen Platten der Durchmusterung nicht nur geschwärzt, sondern darüber hinausgehend teilweise oder vollständig saturiert (siehe Abbildung 10.2). Die daraus resultierenden Effekte führten zu einem Informationsverlust und beeinträchtigten die Qualität der Spektren. Dementsprechend war es unklar, ob die Stichprobe überhaupt brauchbar für die Suche nach metallarmen Sternen war. Meine Aufgabe war es, auf genau diese Frage eine solide Antwort zu liefern.
Abb. 10.2: Vergleich von teilweise saturierten und »normalen« Durchmusterungsspektren. Saturierungseffekte treten bei besonders hellen Sternen auf. Das oberste Spektrum ist fast vollständig saturiert, denn es verläuft fast vollständig waagerecht. Das mittlere Spektrum zeigt am rechten Ende eine Saturierung, aber der für die Suche nach metallarmen Sternen wichtige Bereich bei etwa 3900 Å ist nicht betroffen. Das untere Spektrum ist nicht saturiert. Beide Sterne wurden als mpcc klassifiziert. Die Ordinaten geben die Photonen-Counts der jeweiligen Spektren an.
Die Saturierungseffekte hatten einen besonders großen Nachteil, der mir sehr viele falsch klassifizierte Kandidaten bescherte. Je metallarmer ein Stern ist, desto geringer fallen seine Absorptionslinien aus. Ein saturiertes Spektrum zeigt fälschlicherweise auch sehr schwache Absorptionslinien, wie in Abbildung 10.2 gesehen werden kann. Somit waren genau solche Spektren als metallarm klassifiziert worden. Dementsprechend ergaben meine visuellen Inspektionen der gesamten Stichprobe, dass 3733 Objekte nicht wirklich metallarm, sondern besonders helle, sehr heiße metallreiche Sterne mit saturierten Spektren waren. Einige als Stern klassifizierte Galaxien und diverse Objekte mit Artefakten in ihren Spektren waren auch dabei. Obwohl Probleme durch die Saturierungseffekte vorhersehbar gewesen waren, war dieses Ergebnis doch erst einmal enttäuschend. Denn »nur« 1777 Kandidaten blieben am Schluss übrig. Ich wollte doch möglichst viele metallarme Sterne finden, aber jetzt bestand meine Stichprobe nur noch aus einem Drittel der Menge, mit der ich angefangen hatte.
Diese 1777 Sterne unterteilte ich bei der Inspektion in verschiedene Klassen, je nachdem,
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