Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
veränderten, ja eigentlich verfälschten, bis die Metallarmut von 1/100stel auf 1/10–1/30stel angestiegen war. Denn die Sterntemperatur beeinflusst ja die spektrale Linienstärke eines Elements. Wie Chamberlain selbst später zugab, war es dieser höhere Wert, der 1951 tatsächlich publiziert wurde. Interessanterweise kam aber die ursprünglich gemessene Metallizität von 1/100 der Wahrheit sehr nah. HD 140283 war einer der Sterne, die von Chamberlain und Aller beobachtet wurden. Viele darauf folgende Analysen im letzten halben Jahrhundert haben eindeutig gezeigt, dass dieser Riesenstern wirklich so metallarm ist und nur ein ~1/300 des solaren Eisens enthält: Seine Metallizität steht heute bei [Fe/H] ~ –2.5. HD 140283 ist heutzutage unbezweifelbar ein klassischer metallarmer Halostern, der nach wie vor sehr oft als Referenzstern in chemischen Analysen anderer Halosterne benutzt wird. Auch ich habe diesen Stern schon mehrmals beobachtet und analysiert.
In den nächsten zwei Jahrzehnten zeigten viele neue Arbeiten, dass es eine große Bandbreite von Sternen mit verschiedenen Metallizitäten und Elementhäufigkeitsmustern gibt. Dies wurde bald auf verschiedene Stadien der chemischen Evolution der Milchstraße zurückgeführt. Der Grundstein für die Erforschung des frühen Universums, aus der natürlich auch die Stellare Archäologie direkt hervorgeht, war gelegt worden. So kann im Nachhinein deutlich gesagt werden, dass die spektroskopischen Arbeiten der 1950er Jahre das damalige Weltbild enorm veränderten. Von dem Bild eines chemisch homogenen Universums wurde der Weg für das einer chemischen Entwicklung geschaffen, die die Entwicklung von Galaxien und dem Universum als Ganzes beschreibt. Die Effekte der Metallizität eines Sterns oder auch einer ganzen Galaxie sind aus der Astronomie nicht mehr wegzudenken.
Auch heutzutage werden diese Stern-Gruppen von Baade immer noch als Population I und Population II bezeichnet. Sie spiegeln die chemische Entwicklung der Milchstraße grob wider: Population I ist die wesentlich größere Gruppe, denn sie bezieht sich auf junge und metallreiche Sterne, die vornehmlich in der Scheibe anzutreffen sind. Ältere, metallärmere Sterne aus dem Halo mit ihren schwächeren Spektrallinien bilden die Population II. Tabelle 10.1 fasst die Stern-Populationen zusammen.
Tabelle 10.1 : Definitionen für Sterne mit verschiedenen Metallizitäten
Typ
Definition
Population III
Erste Generation von (metallfreien) Sternen
Population II
Alte (Halo-)Sterne mit geringen Metallhäufigkeiten
Population I
Junge, metallreiche (Scheiben-)Sterne, z.B. die Sonne
In den 1980er Jahren schlugen Astronomen erstmals die Existenz einer weiteren Population vor, die nur aus den allerersten Sternen des frühen Universums bestehen sollte. Ein halbes Dutzend Sterne mit [Fe/H] ~ –3 war zu jener Zeit bekannt, aber kein Objekt mit noch niedrigerer Metallizität. Es wurde angenommen, dass die so genannten Population-III-Sterne wohl Metallizitäten von weniger als [Fe/H] = –3 haben müssen. Denn ein Eisenanteil von weniger als einem Tausendstel der Sonne war so winzig, dass er der Zusammensetzung der ersten Sterne angemessen erschien.
Obwohl einfache Modelle der chemischen Entwicklung der Milchstraße die Existenz solcher Sterne voraussagten, blieben die ersten Suchanstrengungen erfolglos. So fragte der amerikanische Astronom Howard Bond 1981 niedergeschlagen im Titel seines Artikels »Wo ist die Population III?« Bond hatte vergebens mit einer ersten systematischen Durchmusterung versucht, diese besonders metallarmen Sterne aufzuspüren, war aber nicht fündig geworden. Es wurde erst einmal gefolgert, dass sich langlebige Sterne mit weniger als einer Sonnenmasse nur schwer aus primordialem Gas im frühen Universum bilden konnten. Falls sie überhaupt existierten, mussten sie extrem selten sein, denn sonst hätte Bond ja einige von ihnen gefunden.
In der Tat hatten die verschiedenen Vorhersagen der damaligen Milchstraßenmodelle die Anzahl der metallärmsten Sterne zunächst signifikant überschätzt. Zudem hatte Bond mit den damaligen Teleskopen nur relativ helle Sterne beobachten können. Als Faustregel kann man sich merken, dass, je schwächer der Stern ist, er sich desto weiter draußen im Halo befindet. Denn die Erfahrung zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Stern mit niedriger Metallizität zu finden, mit seiner Entfernung ansteigt. Bond hatte also nur äußerst geringe Chancen gehabt, Sterne mit
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