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Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)

Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Frebel
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wie metallarm ihre Spektren erschienen: mpcc für Sterne mit einer relativ starken Kalzium- K -Linie bei 3933,6 Å, mpcb für Sterne mit schwacher Kalzium-Linie, mpca für Sterne mit keiner sichtbaren Kalzium-Linie und unid für Spektren, bei denen es aufgrund von Rauschen unklar war, ob eine Kalzium-Linie sichtbar ist. Die letzten beiden Kategorien waren die vielversprechendsten für die Suche nach den metallärmsten Sternen. »mpc« steht in allen Fällen für »metal-poor candidate«, also metallarmer Kandidat, und »unidentified« für eine nicht identifizierbare Kalzium-Linie im Spektrum. Am Schluss hatte ich 1426 mpcc -Sterne, 248 mpcb- , 84 unid- und ganze 9 mpca -Kandidaten. Nicht gerade viel, aber auch nicht wenig!
    Beim Betrachten von 5500 Spektren lernte ich schnell, dass jedes Spektrum etwas anders aussieht und jeder Stern doch so etwas wie eine eigene Persönlichkeit hat. Als Neuling in der Spektroskopie dauerte es allerdings einige Zeit, bis ich mich mit den Spektren so weit angefreundet hatte, dass ich sie zügig und mit einer gewissen Sicherheit klassifizieren konnte. In gewisser Weise ähnelte diese Aufgabe der Klassifikationsarbeit von Annie Jump Cannon und ihren Kolleginnen. Die ganze Inspektions-Prozedur kann man sich wie eine Passkontrolle am Flughafen vorstellen. Ein Softwareprogramm zeigt das Spektrum erst einmal auf dem Bildschirm an. Als Inspizierer betrachtet man es dann kritisch auf verschiedene Merkmale hin, und am Ende bekommt der Stern den Stempel »zugelassen« oder »abgelehnt«. Diese Klassifikation war letztlich eine ziemlich verantwortungsvolle Aufgabe. Denn Sterne, die abgelehnt, sprich rausgeschmissen wurden, wurden ein für alle Mal aussortiert und nie wieder genauer betrachtet. Das bedeutete, dass eine falsche Klassifikation durchaus zur Folge haben konnte, dass ein potentiell sehr interessanter Stern »entsorgt« wurde, weil er nicht als solcher erkannt wurde. Der Aufwand, die aussortierten Objekte alle im Detail noch einmal zu untersuchen, ist bei solchen Projekten zu groß, um wirklich sinnvoll zu sein.
    Nach dem Inspizieren von 5500 Spektren war ich dann aber doch froh, mit dieser Aufgabe erst einmal fertig zu sein. Insgeheim hoffte ich aber noch lange Zeit später, dass ich keine oder wenigstens nicht zu viele interessante Sterne aus Versehen aussortiert hatte. Ob ich also aus Unerfahrenheit oder falscher Einschätzung Sterne nicht selektierte, bleibt somit ein großes Fragezeichen. Da ich aber letztendlich einige ziemlich interessante Sterne in meiner Stichprobe gefunden habe, kann ich im Rückblick davon ausgehen, dass ich nicht zu viele Fehler bei der Klassifikation gemacht haben kann. Denn es ist statistisch gesehen sehr unwahrscheinlich, dass meine Stichprobe neben meinen Entdeckungen noch weitere der metallärmsten Sterne beinhalten würde.
    Diese Sorge um vermeintlich aussortierte, aber brauchbare metallarme Kandidaten illustriert weiterhin zwei Dinge, die ich während meiner Doktorarbeit lernen musste. Zum einen ist bei der Arbeit mit großen Durchmusterungen immer mit gewissen Verlusten zu rechnen, auch wenn man sich noch so viel Mühe gibt. Denn die Datenqualität ist gering, und Quantität schlägt Qualität. Somit können einzelne Fehlklassifikationen einfach nicht ausgeschlossen werden. Bis heute finde ich das etwas frustrierend, aber daran lässt sich nichts ändern. Zum anderen habe ich aus dieser Erfahrung vor allem für später gelernt, dass solche großen Such-Projekte doch am Ende Früchte tragen. Denn mit einem tollen Ziel vor Augen und Vertrauen in die Sache kann jeder am Ende etwas Neues, Spannendes herausfinden.

10.3. Mt. Stromlo fällt Buschfeuern zum Opfer
    In den ersten Tagen des August 2003 kam ich von Deutschland nach Canberra, um dort wissenschaftliche Erfahrungen am Mt. Stromlo-Observatorium zu sammeln. Ich konnte damals natürlich nicht ahnen, dass dieses Observatorium durch außerordentliche Umstände nur fünf Monate später von einem Buschfeuer überrollt und weitgehend zerstört werden sollte. Aber es waren genau die Tage unmittelbar nach dem Brand, in denen ich mit den Selektierungen der hellen, metallarmen Kandidaten fertig geworden und mit der Arbeit an dieser Stichprobe begonnen hatte. Deswegen sind meine Erinnerungen an den Beginn meiner Suche nach metallarmen Sternen unweigerlich mit diesem tragischen Ereignis verknüpft.
    Wenn man wie ich in Deutschland aufgewachsen ist, hat man mit ernsthaften Bränden meist noch nie etwas zu

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