Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
zu verstehen.
Denn bis heute ist z.B. unklar, welche Faktoren für die Bildung der allerersten Galaxien nach dem Urknall entscheidend waren und in welchen Schritten die Milchstraße zu dieser Zeit entstand. Dabei kristallisiert sich momentan heraus, dass die chemische Entwicklung in den verschiedenen Galaxien immer gleich oder zumindest ähnlich begonnen haben muss. Die spätere Größe und Masse einer Galaxie mögen zwar bestimmen, wie viele Sterne im Lauf der Zeit gebildet werden können und über welchen Zeitraum, aber die Art der Nukleosynthese und die der chemischen Anreicherungen scheint unabhängig von den anderen Galaxieneigenschaften vor sich zu gehen. Es ist genau diese Anfangsphase einer Galaxie, in der die metallärmsten Sterne gebildet wurden.
Doch bevor konkrete Schlüsse über die frühesten Sterngenerationen in Zwerggalaxien gezogen werden können, müssen noch mehr der metallärmsten Sterne in möglichst vielen verschiedenen Zwerggalaxientypen gefunden werden. In den etwas leuchtkräftigeren klassischen Zwerggalaxien, die schon seit Jahrzehnten bekannt sind, wurde über lange Zeit hinweg nach extrem metallarmen Sternen gesucht. Allerdings konnten diese seltenen Sterne aufgrund unzureichender Suchmethoden bis vor einigen Jahren noch nicht gefunden werden.
Im Jahr 2010 gelang meinen Kollegen und mir dank neuer, ausgeklügelterer Methoden und viel Teleskopzeit schließlich der Durchbruch auch bezüglich der klassischen Zwerge. Wir konnten nämlich den ersten extrem metallarmen Stern in der Sculptor-Zwerggalaxie im Sternbild Bildhauer präsentieren. Details dieser Entdeckung sind in Kapitel 7 beschrieben. Weitere Entdeckungen solcher Sterne folgten rasch. Sie alle zeigten, dass die chemisch primitiven, metallarmen Sterne nicht nur in den allerschwächsten, sondern auch in den klassischen Zwerggalaxien zu finden sind.
Zukünftige Beobachtungen von Sternen in weiteren Zwerggalaxien werden die Erkenntnisse zum Zwerggalaxien-Ursprung der metallärmsten Halosterne bestätigen oder aufschlussreiche Ausnahmen finden. Wir hoffen dabei, viel über die Entwicklung primitiver Zwerggalaxien zu erfahren – nicht zuletzt, weil diese ersten von uns gefundenen metallarmen Sterne andeuten, dass sie womöglich Mitglieder der zweiten Sterngeneration in ihren jeweiligen Galaxien sein könnten. Und das Entdecken dieser frühen Sterne ist ja schließlich das Ziel der Stellaren Archäologie.
Zusammenfassend können wir nun die umfassende Bedeutung der metallärmsten Sterne der Milchstraße für die Astronomie erkennen. Aufgrund ihrer geringen Masse haben diese Sterne so lange Lebenszeiten, dass sie nicht nur Zeitzeugen der frühesten Nukleosyntheseprozesse und des Beginns der chemischen Entwicklung, sondern auch Überlebende des gesamten Entstehungsprozesses der Milchstraße sind. Wenn wir sie heute beobachten, sieht man ihnen gar nicht an, dass sie die vielen turbulenten Ereignisse in ihrer Geburtsgalaxie und die Einverleibung durch unsere Milchstraße tatsächlich überlebt haben.
11.3. Was wir von den nächsten Durchmusterungen
erwarten
Die metallärmsten Sterne sind extrem selten, aber die Himmelsdurchmusterungen der vergangenen Jahrzehnte haben bewiesen, dass diese Raritäten durch systematisches Suchen und mehrere Selektionsschritte erfolgreich identifiziert werden können. Allerdings ist die Auswahl von Sternen für die Nachbeobachtungen von deren Helligkeit abhängig, denn schwach leuchtende Sterne kosten mehr Teleskopzeit oder sind überhaupt zu schwach, um jemals mit hochauflösender Spektroskopie beobachtet werden zu können. Aus diesem Grund ist der äußere Teil des Halos außerhalb von 15 000 bis 20 000 Lichtjahren, spektroskopisch gesehen, immer noch recht unerforscht.
Weiterhin haben die spektroskopischen Arbeiten über die kleinen, die Milchstraße umkreisenden Zwerggalaxien eindeutig gezeigt, dass diese Galaxien ebenso wie der Halo extrem metallarme Sterne enthalten. Doch diese Galaxien befinden sich im äußeren Halo – die nächstliegenden sind ca. 130 000 Lichtjahre weit von uns entfernt. Das bedeutet, dass nur die allerhellsten dieser Sterne beobachtet werden können, nämlich die leuchtkräftigsten Roten Riesensterne. Über die nächsten Jahre hinweg werden alle diese helleren Sterne mit den existierenden Großteleskopen spektroskopisch beobachtet werden.
Aber was dann? Wir benötigen weitere Daten, besonders von den Zwerggalaxiensternen, um die Details der chemischen Entwicklung in diesen
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