Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
Aber auch Beobachtungen können dazu beitragen, weitere Details der Galaxienentwicklung zu erforschen. So helfen neue Forschungsergebnisse zur Natur der verschiedenen klassischen und ultraschwachen Zwerggalaxien zu verstehen, warum einige von ihnen den äußerst kannibalistischen Entwicklungsprozess der Milchstraße überlebt haben, andere aber nicht. Weiterhin liefern detaillierte Beobachtungen der verschiedenen Sternpopulationen der Milchstraße entscheidende Hinweise zu den einzelnen Schritten der langandauernden Entstehungsgeschichte unserer Galaxie.
Die Entstehung der Milchstraße fasziniert Astronomen schon seit mehr als einem halben Jahrhundert. So wurden seit etwa 1960 grundlegende Ideen für die Entstehung von Galaxien, vornehmlich der Milchstraße, entwickelt. Sie basierten allein auf Beobachtungen von Sternen und ihren Bewegungen innerhalb der Milchstraße – lange vor dem Zeitalter großer kosmologischer Simulationen.
So wurden zwei konkurrierende Theorien entwickelt. Im ersten Modell bildet sich eine Galaxie in nur 100 Millionen Jahren in dem gewaltigen Kollaps einer riesigen Gaswolke. Mit Hilfe von einigen Annahmen konnten so die damaligen Beobachtungen von Elementhäufigkeiten von Sternen und deren Bewegungen innerhalb der Galaxie erklärt werden. Das andere Modell besagte, dass sich eine Galaxie ausschließlich aus dem Zuwachs von kleinen Proto-Galaxien über eine längere Entstehungszeit von mehreren Milliarden Jahren stückweise aufbauen würde. Im Gegensatz zum Kollaps-Modell stellte das zweite Modell keinen Zusammenhang zwischen Elementhäufigkeiten, Sternposition und -bewegungen in der Galaxie bezüglich eines hierarchischen Galaxienaufbaus her. Obwohl etwa zeitgleich zu diesen Ideen vorgeschlagen wurde, dass jede Galaxie in einen eigenen Halo aus dunkler Materie eingebettet sei, wurde diese Tatsache aber noch nicht in die Entstehungsmodelle der Galaxien aufgenommen.
In der Folge bildeten sich zwei Gruppen von Astronomen, die mit ihren Beobachtungen Befunde zu ihrem jeweiligen favorisierten Entstehungsmodell zusammentrugen und dabei eifrig versuchten, das andere Modell zu widerlegen. Dabei wurden vor allem die Bewegungen von Sternen im Halo der Milchstraße untersucht, um Rückschlüsse auf die Prozesse der Entstehung unserer Heimatgalaxie zu erhalten.
Erst die Entdeckung der Zwerggalaxie Sagittarius brachte 1997 durch neue Beobachtungen frischen Wind in diese jahrzehntelange Diskussion. Doch statt eines gebundenen, relativ kompakten Objekts fanden Astronomen einen riesigen, dichten Strom aus Sternen, welcher sich über den Himmel zieht und von dem übrig gebliebenen Galaxien-Kern ausgeht. Sagittarius ist also keine vollständige Galaxie mehr, denn sie wird momentan im Gezeitenfeld der Milchstraße langsam, aber sicher komplett zerrieben und zerrissen.
Das Modell des Galaxienwachstums durch das Aufnehmen von anderen, kleineren Galaxien schien mit diesem neuen Beobachtungsergebnis bestätigt worden zu sein. Heute wissen wir jedoch, dass keines der beiden Modelle eine komplette Erklärung für die komplexen Prozesse der Entstehung einer Galaxie wie der Milchstraße liefert. Denn mit Hilfe der kosmologischen Simulationen konnte gezeigt werden, dass zunächst eine Kollapsphase stattfindet, die zur Bildung des dunklen Halos führt. Dieser wächst daraufhin durch das Verschmelzen mit weiteren, kleineren Halos weiter an.
Die kleinen Zwerggalaxien sind also tatsächlich direkte Zeitzeugen der Entstehung und Entwicklung der Milchstraße. Denn ihre Eigenschaften und ihre eigene Entwicklung sind vom dynamischen Zusammenspiel mit der Milchstraße geprägt – sowohl in den letzten zehn bis zwölf Milliarden Jahren wie auch heute noch.
11.2. Wo kommen metallarme Sterne denn nun her?
Diese Frage ist eine der spannendsten, die die Stellare Archäologie zu beantworten versucht. Die Aussicht, metallarme Sterne im galaktischen Halo zum Verstehen der Entstehungsgeschichte der Milchstraße heranziehen zu können, hat auch mich bei meiner Arbeit schon immer begeistert und vorangetrieben. Denn die ältesten metallarmen Sterne mit ihrem Alter von etwa 13 Milliarden Jahren müssen schon vor der Entstehung der Milchstraße, so wie wir sie heute kennen, oder zumindest in den frühesten Phasen, als die Proto-Milchstraße gerade erst ihre Entwicklung zu einer großen Spiralgalaxie begonnen hatte, gebildet worden sein.
Zunächst muss man auf der Suche nach einer Antwort in diesem Zusammenhang die detaillierten
Weitere Kostenlose Bücher