Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
Simulationen zum hierarchischen Aufbau der Milchstraße mit ihrem stellaren Halo heranziehen. Denn verschiedene Simulationen haben gezeigt, dass sich das Zentrum der Galaxie und der innere Teil des Halos schon früh aus recht großen »Bausteinen« wie zum Beispiel Zwerggalaxien von der Größe der Magellan’schen Wolken gebildet haben muss. Denn solche größeren Galaxien fielen aufgrund der Anziehungskraft schnell in den inneren Teil der neu entstehenden Galaxie.
Betrachtet man heute die durchschnittliche Metallizität des inneren Teils des Halos von ca. einem Zehntel von jener der Sonne, also [Fe/H] ~ –1.0, stimmt dies auch ungefähr mit der Metallizität der Magellan’schen Wolke überein. Wenn diese ähnlichen Metallizitäten auch nicht eindeutig untermauern, dass dieser Prozess genauso ablief, zeigt dies doch, dass detailliertes Wissen über die die Milchstraße umkreisenden Zwerge für unser Verständnis zur Entstehung der Galaxie letztendlich sehr wichtig ist.
Unter der Annahme, dass metallärmere Sterne vor metallreicheren Sternen geboren werden, muss man sich aber weiterhin fragen, woher z.B. die extrem metallarmen Halosterne gekommen sind. Aus diesen frühen Galaxien, die im inneren Teil der Milchstraße endeten? Sehr wahrscheinlich haben diese größeren Baustein-Galaxien extrem metallarme Sterne aus ihrer eigenen frühen Entwicklung in sich getragen. Aber nachdem sie in die Milchstraße gefallen waren, wurden die meisten ihrer Sterne in der Nähe des galaktischen Zentrums »abgeladen«. Da es dort heutzutage aber so ungeheuer viele jüngere metallreiche Sterne gibt, ist die systematische Suche nach den metallärmsten Sternen dort vergebens – deswegen konzentrieren sich Astronomen auf den Halo. Diese Tatsache, dass es wahrscheinlich auch metallarme Sterne im inneren Teil der Galaxie gibt – obwohl sie äußerst interessant ist –, hilft uns also immer noch nicht zu verstehen, woher denn die metallarmen Sterne im Halo letztlich kommen.
Wir müssen also die Entwicklungsgeschichte der Milchstraße noch weiter und genauer betrachten. Den kosmologischen Simulationen zufolge wurde der Halo immer wieder von Zusammenstößen durchmischt und aufgeheizt, wenn weitere kleinere Zwerge aufgenommen wurden. Da diese Zwerge nicht schwer genug waren, um weiter in das Innere der Milchstraße einzudringen, wurde der Halo Stück für Stück mit kleinen Galaxien, also mit ihren Sternen und ihrem Gas, aufgepolstert. Denn im Halo der Galaxie wurden die Zwerggalaxien zerrissen und zerrieben, so dass alle ihrer Sterne und ihr Gas an den Halo abgegeben wurden – genauso wie die Sagittarius-Zwerggalaxie es im Moment zu tun scheint.
Vor dem Hintergrund des hierarchischen Aufbaus der Milchstraße scheint es sich also zu lohnen, die überlebenden Zwerge, die heutzutage die Milchstraße noch immer umkreisen, genauer zu untersuchen. Denn besonders die leuchtschwächsten unter ihnen besitzen aufgrund eines höheren Vorkommens von metallarmen Sternen niedrigere Metallizitäten als hellere, größere Zwerggalaxien. Dieses Verhalten wird in Kapitel 6 weiter erläutert. Unter der Annahme, dass sich die aufgefressenen Galaxien nicht durch besondere Eigenschaften von denen der überlebenden unterscheiden, sollte man also davon ausgehen können, dass uns besonders die ultraschwachen Zwerggalaxien bei der Frage nach dem Ursprung der metallärmsten Sterne des Halos weiterhelfen können. Wir können sogar so weit gehen zu postulieren, dass die metallärmsten Sterne des Halos ursprünglich aus solchen Zwerggalaxien stammen.
Diese Hypothese kann mit extrem metallarmen Sternen in Zwerggalaxien getestet werden. Ganz speziell können die chemischen Häufigkeiten dieser Sterne Auskunft darüber geben, ob die Vorgänge des Auffressens kleinster Zwerggalaxien tatsächlich stattgefunden haben. Denn wenn die metallärmsten Sterne des Halos tatsächlich vor langer Zeit aus Zwerggalaxien in den Halo geschüttet wurden, dann sollten sie genau die gleiche chemische Zusammensetzung wie diejenigen Sterne haben, die sich momentan noch in Zwerggalaxien befinden. Sollte sich aber ein signifikanter Unterschied in den Elementhäufigkeiten zeigen, würde entweder an den weitläufig erfolgreichen Simulationen zur Struktur- und Galaxienentstehung vielleicht etwas nicht stimmen, oder die übrig gebliebenen Zwerggalaxien überlebten eventuell doch aus einem bestimmten, wenn auch noch unbekannten Grund.
Genau diese Fragestellung untersuchten meine Kollegen
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