Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
ersichtlich, wie sehr Lemaîtres neue Theorie des Urknalls das damalige Weltbild eines statischen Universums verändern sollte.
Erst zwei Jahre später, also 1929, entdeckte Hubble das Entfernungs-Geschwindigkeits-Gesetz aus jahrelangen systematischen Beobachtungen weit entfernter Galaxien, die er selbst sowie Milton Humerson und Vesto Slipher gemacht hatten. Das neue Gesetz, das die Expansion des Universums beschrieb, verhalf ihm zu Weltruhm. Viele werden seinen Namen vom Hubble Space Telescope (Hubble-Weltraum-Teleskop) kennen, das in den 1990er Jahren nach ihm benannt wurde. Lemaîtres Arbeiten waren allerdings ursprünglich in einem wenig gelesenen belgischen Journal auf Französisch veröffentlicht worden, zu welchem nur wenige seiner Zeitgenossen Zugang hatten. Auch der Amerikaner Howard Percy Robertson hatte bereits 1928, unabhängig sowohl von Lemaître als auch von Hubble, eine Expansionsrate in seinen kosmologischen Berechnungen benutzt. Die Entdeckung der Expansionsrate wird aber oft allein Hubble zugeschrieben.
Angeregt durch seine Gespräche mit Eddington, entwickelte Lemaître seine Ideen zum Anfang des Universums weiter. Wahrscheinlich inspiriert von der Radioaktivität, führte er 1931 das »Uratom« ein, aus welchem sich aufgrund seines »Zerfalls« das ganze Universum Stück für Stück herausbilden sollte. So postulierte er, dass Raum und Zeit erst mit diesem Zerfall beginnen würden. Dennoch gab es auch ein nicht zu vernachlässigendes Problem mit Lemaîtres Modell. Das Alter seines Universums war mit zwei Milliarden Jahren wesentlich geringer und mit dem wesentlich größeren Alter der Sonne nicht vereinbar. Eddington hatte in der Zwischenzeit selbst ein Modell für ein erst statisches und später expandierendes Universum entwickelt. Obwohl er den Übergang dieser zwei Phasen nicht beschreiben konnte, hatte sein Modell kein Problem mit dem Alter.
Selbst als Einstein 1931 nach Entdeckung des expandierenden Universums der kosmologischen Konstante abschwor, ließen sich sowohl Lemaître als auch Eddington nicht davon abbringen, sie weiterhin zu benutzen. Im Gegenteil, 1933 verfeinerte Lemaître seine Theorien zum expandierenden Universum, was ihn endgültig zum Vorreiter der neuen Kosmologie machte. Schließlich interpretierte er die kosmologische Konstante als Resultat einer »Vakuum-Energie« mit einer perfekten Zustandsgleichung. Wie sich später herausstellte, war dies eine weise Voraussicht von Seiten Lemaîtres.
Wie sich in den 1990er Jahren herausstellte, sollte Lemaître recht behalten. Damals entdeckten zwei große Forschergruppen um Saul Perlmutter, Brian Schmidt und Adam Riess, dass das Universum sich nicht nur ausdehnt, sondern sogar immer schneller expandiert. Diese Entdeckung wurde 2011 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Mathematisch lässt sich die beschleunigte Expansion mit der kosmologischen Konstante beschreiben. Was aber physikalisch dahinter steckt, ist derzeit leider immer noch völlig unklar. Diese Ratlosigkeit spiegelt sich auch im Begriff der »dunklen Energie« wieder, der in diesem Zusammenhang verwendet wird. Allerdings wissen wir inzwischen wenigstens, dass die dunkle Energie ca. 72% zum gesamten Energie-Haushalt des Universums beiträgt.
Während all dieser Diskussionen um den Beginn und die Entwicklung des Universums in Europa beobachtete der Schweizer Astronom Fritz Zwicky 1933 in Südkalifornien systematisch den Galaxienhaufen Coma Berenices (Haar der Berenike). Er war daran interessiert, die Rotverschiebungen der Einzelgalaxien innerhalb des Haufens zu messen. Diese bewegten sich allerdings so schnell, dass sie eigentlich dem Haufen entwischen sollten, wenn man annahm, dass die Gravitationswirkung seiner beobachteten Leuchtkraft bzw. Masse entsprach. Irgendetwas stimmte da nicht, denn der Coma-Haufen sah nicht so aus, als ob ihm alle seine Galaxien verlorengehen würden. Somit stellte Zwicky kurzerhand die Hypothese auf, dass es jede Menge nichtleuchtende Materie im Galaxienhaufen geben müsse, die ihn mit ihrer zusätzlichen Schwerkraft zusammenhält. Zwickys Ideen gerieten jedoch erst einmal wieder in Vergessenheit, weil sie nicht ausreichend belegt waren. Heute wissen wir, dass es sich tatsächlich um »dunkle Materie« handelt, so wie Zwicky sie vorhergesagt hatte.
Systematische Beobachtungen zu diesem Thema wurden erst gegen Ende der 1970er Jahre von der Amerikanerin Vera Rubin durchgeführt. Um 1964 war sie die erste Frau gewesen, die legal
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