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Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)

Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Frebel
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Metallizität muss dieser metallarme r-Prozess-Stern schon im frühen Universum gebildet worden sein. Da zu diesen Frühzeiten noch keine s-Prozess-Nukleosynthese stattfand, muss der Stern also aus einer Gaswolke entstanden sein, die schon vor seiner Geburt mit r-Prozess-Elementen angereichert worden war. Somit kann geschlossen werden, dass r-Prozess-Ereignisse schon bald nach dem Urknall stattgefunden haben müssen.
    Dies bedeutet, dass die metallarmen r-Prozess-Sterne also den direkten chemischen Fingerabdruck eines r-Prozess-Ereignisses in sich tragen. In der Tat stellte sich schnell heraus, dass die beobachteten Häufigkeiten der schweren Elemente der metallarmen r-Prozess-Sterne mit denen des solaren r-Prozess-Musters bis auf einen Skalierungsfaktor genau übereinstimmen. Dies ist besonders der Fall bei Elementen, die schwerer als Barium sind (Ordnungszahl 56). Wie Abbildung 5.6 zeigt, sind die Muster eines r-Prozess-Sterns und der Sonne nahezu identisch.

Abb. 5.6: Vergleich der Häufigkeiten von Elementen schwerer als Barium im r-Prozess-Stern HE 1523–0901 (Kreise) mit dem skalierten Muster der solaren r-Prozess-Komponente (Linie). Die Übereinstimmung ist erstaunlich gut. Zum Vergleich ist die solare s-Prozess-Komponente (gestrichelt) gezeigt, die aber nicht mit den beobachteten Werten übereinstimmt.
    Aber wie können alte Sterne und die Sonne über das gleiche Element-Muster verfügen? Angesichts der Tatsache, dass die Sonne ca. acht Milliarden Jahre später als die alten, metallarmen r-Prozess-Sterne geboren wurde, ist dies eine erstaunliche Entdeckung. Sie kann nur so erklärt werden: Zumindest für die schwersten Elemente ist der r-Prozess ein universeller Prozess. Wo er auch abläuft und egal zu welchem Zeitpunkt, diese schwersten Elemente werden immer mit genau denselben Proportionen hergestellt. Es gibt also nur ein einziges »Geheimrezept«, das immer wieder und wieder genau so von der Natur benutzt wird. Es ist die Aufgabe der Astronomen und Physiker, die Zutaten dieses Rezepts herauszufinden, um den r-Prozess genau verstehen zu können. Weil sich die schweren r-Prozess-Elemente im Labor nur eingeschränkt oder gar nicht synthetisieren lassen, nutzen die Forscher diese Sterne dementsprechend als kosmisches Labor, um kernphysikalische und astrophysikalische Theorien zur Elemententstehung zu testen.
    Chemische Analysen dieser metallarmen r-Prozess-Sterne eröffnen also eine neuartige Möglichkeit, die r-Prozess-Nukleosynthese direkt zu studieren und gleichzeitig wichtige Informationen über den Entstehungsort des r-Prozesses zu gewinnen. Denn es kann angenommen werden, dass es eine Supernova gewesen sein muss, die die r-Prozess-Elemente produzierte und in das interstellare Gas schleuderte, aus dem sich der spätere r-Prozess-Stern bildete. Die solare Häufigkeit der r-Prozess-Elemente erlaubt diesen einfachen Schluss allerdings nicht, da unzählige Generationen von Sternen die Geburtsgaswolke der Sonne mit s- und r-Prozess-Elementen angereichert haben. Somit helfen die metallarmen r-Prozess-Sterne in ganz besonderer Weise, den Ursprung der schwersten Elemente im Detail zu rekonstruieren.
    Die leichteren Elemente bis hin zu Eisen und Nickel zeigen in ihrer zeitlichen Entwicklung ein wohldefiniertes kontinuierliches Verhalten, wie in Abbildung 5.7 gesehen werden kann. Dies kann auf ein schon zu frühen Zeiten gut durchmischtes, homogenes interstellares Gas zurückgeführt werden. Die Entwicklung der Neutroneneinfang-Elemente zeigt dagegen ein anderes Bild. Sie ist alles andere als wohldefiniert und zeigt eine große Streuung. Besonders im frühen Universum müssen also sehr unterschiedliche Mengen an r-Prozess-Elementen in jeder Supernova synthetisiert worden sein, auch wenn die Elementverhältnisse untereinander identisch waren. Nur dann kann die Streuung eventuell erklärt werden.

Abb. 5.7 : Das Verhalten von [Mg/Fe] und [Eu/Fe] mit ansteigender Metallizität [Fe/H] könnte für diese beiden Elemente nicht unterschiedlicher sein. Die Definition und Beschreibung der logarithmischen Häufigkeiten [Fe/H], [Mg/Fe] und [Eu/Fe] wird im Kapitel 7.3 (S. 213) gegeben. Magnesium besitzt einen wohldefinierten Trend (wenn es auch Ausnahmen gibt), der auf seine immer gleich ablaufende Synthese in Kern-Kollaps-Supernovae zurückgeführt werden kann. Europium hingegen hat erst bei wesentlich höheren Metallizitäten einen klar erkennbaren Trend, da das Gas zu späteren Zeiten schon sehr gut durchmischt war. Im

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