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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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drapierten Staffelei stand, nicht das rechte Licht erhalten. So folgte sie fieberhaft den Bewegungen des derben Burschen und gab lebhaft ihrem Unwillen Ausdruck, weil er zu nahe an zwei großen Blumenschalen vorbeigestreift war, die sie aus Angst, man könne sie beschädigen, selbst zu reinigen pflegte und die sie gleich darauf untersuchen ging, um zu sehen, ob er auch nicht etwa eine Ecke abgestoßen habe. Sie fand die Formen aller ihrer chinesischen Nippesfiguren »amüsant«, ebenso die der Orchideen und auch der Cattleyas, die neben denChrysanthemen ihre Lieblingsblumen waren, weil sie den großen Vorzug besaßen, nicht wie Blumen auszusehen, sondern als wären sie aus Seide oder Atlas gemacht. 1 »Die da sieht aus, als wäre sie aus meinem Mantelfutter ausgeschnitten«, sagte sie zu Swann, indem sie auf eine Orchidee zeigte, und zwar mit einer gewissen Hochachtung vor einer Blume, die derartig »schick« war, dieser eleganten, völlig unerwartet von der Natur ihr zum Geschenk gemachten Schwester, die auf der Stufenleiter der Schöpfung so weit von ihr entfernt war und doch so raffiniert, würdiger als viele Frauen, einen Platz in ihrem Salon zu erhalten. Sie zeigte ihm nacheinander feuerzüngige Drachen auf einem Porzellangef äß oder einem gestickten Wandschirm, die Blütenblätter eines Orchideenstraußes, ein Dromedar aus Silber mit schwarzer Emailauflage und eingesetzten Rubinenaugen, das auf ihrem Kamin mit einer Kröte aus Jade gute Nachbarschaft hielt, und tat abwechselnd so, als habe sie Angst vor dem bösen Ausdruck des einen oder als lache sie über das groteske Aussehen des anderen Untiers, als erröte sie über die Indezenz der Blumen oder als hege sie ein unwiderstehliches Verlangen, das Dromedar oder die Kröte zu küssen, die sie »einfach süß« fand. Diese affektierten Gefühlsäußerungen standen in merkwürdigem Gegensatz zu Regungen aufrichtiger Verehrung, zum Beispiel für die Madonna di Laghetto 2 , die sie vormals, als sie in Nizza wohnte, von tödlicher Krankheit geheilt habe, deren Bild sie immer in Gestalt eines Goldmedaillons auf sich trug, das sie für grenzenlos wundertätig hielt. Odette bereitete Swann »seinen« Tee und fragte ihn: »Zitrone oder Rahm?« Als er »Rahm« antwortete, setzte sie lachend hinzu: »Aber nur einen Tropfen!« Und da er ihn für gut befand, sagte sie: »Sehen Sie, ich weiß, was Sie mögen.« Tatsächlich war dieser Tee Swann wie ihr selbst als etwas Köstliches erschienen, und die Liebe hatso sehr das Bedürfnis, sich eine Rechtfertigung und eine Garantie ihrer Dauer zu verschaffen durch Vergnügungen, die doch ohne sie keine solchen wären und mit ihr wieder aufhören, es zu sein, daß er, als er sie um sieben Uhr verlassen hatte, um sich zu Hause umzuziehen, während der Fahrt in seinem Wagen in dem Übermaß an Freude, die dieser Nachmittag ihm bereitet hatte, sich mehr als einmal sagte: Es müßte wirklich sehr angenehm sein, so eine nette Person ganz für sich zu haben, bei der man etwas so Seltenes fände wie einen wirklich guten Tee. Eine Stunde später erhielt er ein Wort von Odette; er erkannte gleich ihre große Schrift, in der eine gewisse affektierte englische Steifheit den formlosen Buchstaben – in denen vielleicht ein weniger voreingenommener Blick die Unordnung der Gedanken, die unzulängliche Erziehung, den Mangel an Offenheit und klarem Willen erkannt hätte – einen Anschein von Disziplin verlieh. Swann hatte sein Zigarettenetui bei Odette vergessen. »Warum haben Sie nicht auch Ihr Herz bei mir liegen lassen, ich hätte Ihnen nicht erlaubt, es sich wiederzuholen.«
    Ein zweiter Besuch, den er ihr machte, war vielleicht noch bedeutungsvoller. Als er an diesem Tag zu ihr ging, versuchte er wie jedesmal im voraus sie sich vorzustellen, und der Zwang, in dem er sich befand, ihr Gesicht hübsch zu finden, ihre Wangen, die so oft gelblich, schlaff und sogar mit kleinen roten Flecken übersät waren, nur auf den oberen straffen und rosigen Teil zu beschränken, stimmte ihn traurig als ein Beweis dafür, daß das Ideal unerreichbar und das Glück mittelmäßig sei. Er brachte ihr einen Stich mit, den sie zu sehen wünschte. Sie fühlte sich nicht recht wohl und empfing ihn in einem malvenfarbenen Morgenrock aus Crêpe de Chine, dessen reichbestickten Stoff sie wie einen Umhang über der Brust zusammenhielt. Wie sie so nebenihm stand, ihr gelöstes Haar offen über ihre Wange gleiten ließ, das eine Knie in beinahe tänzerischer Pose leicht

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