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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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Konversation beruhten, die sie miteinander führten, weil sie über alles die gleichen Ansichten hegten, bildeten eine zuverlässigere Grundlage als die etwas exaltierte Anhänglichkeit des Baron von Charlus, die auch zu Akten der Leidenschaft führen konnte, guten oder schlechten. Wenn es jemand gab, von dem Swann sich immer verstanden und auf eine diskrete Art geschätzt wußte, so war es Monsieur d’Orsan. Ja, aber dieses etwas zweifelhafte Leben, das er führte? Swann bedauerte, daß er so wenig darauf achtgegeben, ja sogar oft im Scherz geäußert hatte, er hege niemals so lebhafte Gefühle der Sympathie und Hochachtung wie in Gesellschaft eines Gauners. Nicht umsonst, sagte er sich jetzt, beurteilen die Menschen, seitdem sie sich überhaupt mit der Kritik ihres Nächsten abgeben, diesen nach seinen Handlungen. Nur das gilt und keineswegs, was wir sagen und denken. Charlus oder des Laumes können diese oder jene Charakterfehler besitzen, sie sind doch Ehrenmänner. D’Orsan hat vielleicht keine, aber er ist keinEhrenmann. Er hätte ja auch noch ein zweites Mal etwas Schlechtes tun können. Dann richtete sich Swanns Verdacht auf Rémi, der allerdings den Brief nur hätte inspirieren können; die Fährte schien ihm einen Augenblick die richtige zu sein. Zunächst hatte Lorédan Gründe, Odette übelzuwollen. Und wie sollte man eigentlich nicht annehmen, daß unsere Dienstboten, die in einer der unseren untergeordneten Situation leben, die in unsere angenehme Lage und unsere Fehler Reichtümer und Laster hineinphantasieren, um derentwillen sie uns beneiden und verachten, nicht zwangsläufig dazu kommen, anders zu handeln als die Menschen unserer eigenen Welt? Auch meinen Großvater verdächtigte er. Hatte er sich nicht jedesmal, wenn Swann seine Hilfe in Anspruch nehmen wollte, ablehnend verhalten? Außerdem würde er vielleicht mit seinen bürgerlichen Anschauungen zu Swanns Bestem zu handeln glauben. Dann richtete sich sein Argwohn auch noch gegen Bergotte, den Maler, die Verdurins, und er bewunderte beiläufig wieder einmal die Klugheit der Leute von Welt, die mit den Künstlerkreisen nichts zu tun haben wollen, in denen solches möglich ist, ja vielleicht sogar als amüsanter Spaß gehandelt wird; dann wieder fielen ihm Züge der Rechtschaffenheit im Gesamtbild dieser Boheme ein, und er verglich sie mit den Tricks und Gaunereien, zu denen Geldmangel, Luxusbedürfnis oder Genußgier oft Aristokraten verleiten. Kurz, dieser anonyme Brief bewies, daß es unter seinen Bekannten jemanden gab, der zu Gemeinheiten fähig war, doch er sah keinen besseren Grund, weshalb sich diese Gemeinheit eher im – von anderen unerforschten – Innern des warmherzigen als des kalten Menschen, des Künstlers als des Bürgers, der großen Herren als des Lakaien verbergen sollte. Welches Kriterium gab es für die richtige Beurteilung der Menschen? Im Grunde war in seinemBekanntenkreis niemand, der einer Infamie nicht fähig gewesen wäre. Sollte er einfach mit allen brechen? Sein Geist verschleierte sich; er strich sich zwei- oder dreimal mit der Hand über die Stirn und putzte die Gläser seines Kneifers mit dem Taschentuch, und in dem Gedanken, daß schließlich Leute, die ebensoviel wert waren wie er, mit Monsieur de Charlus, dem Fürsten des Laumes und den übrigen umgingen, sagte er sich, daß das zwar vielleicht nicht bedeute, daß sie unfähig zu einer Gemeinheit seien, wohl aber, daß eine Lebensnotwendigkeit, der jeder sich unterwirft, darin bestehe, mit Leuten umzugehen, die zu einer solchen Handlung vielleicht nicht unfähig seien. Daraufhin drückte er auch weiterhin allen Freunden, die er beargwöhnt hatte, die Hand, mit dem rein formalen Vorbehalt, daß sie möglicherweise versucht hatten, ihn zur Verzweiflung zu treiben. Was den Inhalt des Briefes anbetraf, so beunruhigte er ihn nicht, denn nicht eine der darin ausgesprochenen Anschuldigungen gegen Odette hatte einen Schatten von Wahrscheinlichkeit für sich. Wie viele Menschen war Swann ziemlich trägen Geistes und ohne jede Erfindungsgabe. In Form einer allgemeinen Lebensweisheit war ihm zwar wohlbekannt, daß das menschliche Leben reich an Widersprüchen ist, bei jedem Einzelwesen aber stellte er sich dennoch vor, daß der ihm unbekannte Teil von dessen Leben mit dem ihm bekannten völlig identisch sein müsse. Was man ihm verschwieg, stellte er sich mit Hilfe dessen vor, was man ihm sagte. Wenn er in den Augenblicken, die Odette in seiner Nähe verbrachte, mit ihr

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